Hamburger Sozialbehörde sucht Unterbringung für auffälligen 14-Jährigen

Stand: 22.06.2023 20:17 Uhr

Der Familienausschuss der Bürgerschaft hat am Donnerstag über den Fall eines 14-jährigen Jugendlichen beraten, der die Hamburger Behörden vor große Probleme stellt. Hamburgs Sozialsenatorin Melanie Schlotzhauer (SPD) erklärte, dass aktuell nach einer Unterbringung gesucht wird.

Der 14-Jährige soll einen anderen Jungen an einen Baum gefesselt, gewürgt und ihm Mund und Nase mit Frischhaltefolie verschlossen haben. Gegen ihn besteht der Verdacht des versuchten Totschlags. Sieben Monate saß er im Jugendgefängnis in Untersuchungshaft. Doch dann brach die Anklage zusammen. Das angebliche Opfer - ebenfalls ein Heimkind - sei unglaubwürdig, befand das Gericht. Seit der überraschenden Freilassung Anfang Juni herrscht in der Sozialbehörde Krisenstimmung. Am Donnerstag gab es dazu ein Statement von Hamburgs Sozialsenatorin Melanie Schlotzauer (SPD): "Wir kennen die Herausforderungen, mit diesen Jugendlichen zu arbeiten. Aber wir wissen auch: Es gibt keine einfache Lösung. Wir sind dabei, eine Lösung zu entwickeln."

Sozialbehörde sucht Unterbringung

Doch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Sozialbehörde telefonieren sich bislang vergeblich die Finger wund. Offenbar will keine Einrichtung den 14-Jährigen aufnehmen. Klar ist nur: Im Kinder- und Jugendnotdienst in der Feuerbergstraße soll er nicht bleiben. Dort war er vor der Untersuchungshaft untergebracht und ist es jetzt wieder. Doch weil er laut psychiatrischem Gutachten Gewaltphantasien gegen andere Kinder hegen soll, steht er nun auf Schritt und Tritt unter Polizeibewachung.

Polizeigewerkschaft spricht von einmaligem Vorgang

Dieses Vorgehen sei seines Wissens nach einmalig, sagte Lars Osburg von der Gewerkschaft der Polizei dem Hamburg Journal im NDR Fernsehen. "Einen 14-Jährigen zu beobachten - es ist mir nicht bekannt, dass es das vorher schon mal gegeben hätte." Im urbanen Umfeld erfordere das Personal im zweistelligen Bereich. "Notwendig ist es, dass die Behörden ihre Hausaufgaben machen und für eine Unterbringung sorgen, auch, um die Polizei zu entlasten." Trotz Polizeibegleitung darf der Jugendliche sich frei bewegen. Der 14-Jährige unternahm Streifzüge zum Planschbecken im Stadtpark, offenbar um kleine Kinder zu beobachten. Von der Feuerbergstraße sind es dorthin nur zwei Kilometer.

Elternprotest wurde abgesagt

In einer Kita in der Nähe liegen die Nerven bei einigen Eltern blank. Eine Mutter hatte den 14-Jährigen in der Nähe gesehen. Ein angekündigter Elternprotest wurde aber wieder abgesagt. Kinder- und Jugendpsychiater halten nichts davon, die Kinder und Jugendlichen in solchen Fällen einfach wegzusperren. Andreas Krüger, Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie (Ankerland e.V.) sagte dazu: "Meistens ist es so, dass die Kinder, die nach draußen Schwierigkeiten zeigen wie dieser Junge, sehr laut sind, identifiziert werden. Aber sie werden als Störenfriede identifiziert, nicht als Kinder, die im Grunde ein Riesenpaket Leid in sich tragen." Ein 14-Jähriger mit Gewaltphantasien ist krank und braucht Hilfe. Ob das Heimkind diese Hilfe erhielt, bleibt offen. Und damit auch die Frage, warum es soweit kommen musste, dass quasi ein Kind monatelang im Gefängnis saß.

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Dieses Thema im Programm:

Hamburg Journal | 22.06.2023 | 19:30 Uhr

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