Hamburger Flughafen-Geiselnehmer zu zwölf Jahren Haft verurteilt
Im Prozess um die Geiselnahme am Hamburger Flughafen hat das Landgericht den Angeklagten zu zwölf Jahren Haft verurteilt. Er hatte im November vergangenen Jahres seine Tochter entführt und den Betrieb des Airports in Hamburg lahmgelegt.
Die Strafkammer sprach den 35-Jährigen am Dienstag wegen Geiselnahme, Entziehung Minderjähriger, Körperverletzung und Besitz von Munition schuldig. "Zwölf Jahre Freiheitsstrafe für diese Wahnsinnstat. Das ist unsere Antwort", sagte der Vorsitzende Richter in der Urteilsbegründung. Die Staatsanwaltschaft hatte zwölf Jahre Haft gefordert, die Verteidigung hatte keinen konkreten Strafantrag gestellt.
Richter: Selbstjustiz wird in Deutschland niemals geduldet
Der Richter hielt dem Angeklagten in der Urteilsbegründung vor, es habe ihn gar nicht interessiert, wie es seiner vierjährigen Tochter dabei ging. Das Kind habe geweint und hätte Angst gehabt, so der Richter. Die hohe Strafe begründete er auch damit, dass Selbstjustiz in Deutschland niemals geduldet werde. "Sie haben Ihre persönliche Angelegenheit zu einer Angelegenheit ganz Hamburgs und womöglich sogar Europas gemacht", sagte der Richter. "Und vielleicht haben Sie Ihre Tochter an dem Tag das letzte Mal gesehen." Der 35-Jährige rief bei der Urteilsverkündung des Hamburger Landgerichts immer wieder wütend dazwischen.
Sorgerechtsstreit um Tochter
Die dramatische Aktion des bewaffneten Geiselnehmers auf dem Hamburger Flughafen im November vergangenen Jahres war unblutig geendet. Nach 18-stündigen Verhandlungen ergab sich der 35-Jährige auf dem Flughafenvorfeld der Polizei. Niemand wurde verletzt, auch nicht die Tochter des Geiselnehmers. Ein Sorgerechtsstreit um das Kind war Auslöser der Tat.
Schüsse auf dem Hamburger Flughafen
Am Abend des 4. November 2023 hatte der Angeklagte seine Tochter aus der Wohnung seiner Ex-Frau im niedersächsischen Stade entführt. Mit hohem Tempo war er mit der Vierjährigen im Auto zum Hamburger Flughafen gefahren. An einem Tor in der Nähe der Terminals durchbrach er mit dem Mietwagen drei Schranken und drang bis auf das Vorfeld des Flughafens vor. Dort warf er zwei Brandsätze aus dem Auto. Der Angeklagte feuerte mit einer scharfen Pistole dreimal in die Luft, einmal davon direkt neben einer kurz zuvor gelandeten Maschine der Turkish Airlines, in der sich noch die Besatzung aufhielt.
Taten weitgehend gestanden
Der 35-Jährige forderte, dass ihm ein Flugzeug zur Ausreise mit der Tochter in die Türkei zur Verfügung gestellt werde, und drohte, sich und das Kind in die Luft zu sprengen. Ein vermeintlicher Sprengstoffgürtel erwies sich später als Attrappe. Die mehr als 20-stündige Unterbrechung des Flugbetriebs hatte europaweite Auswirkungen. Dabei sei ein Schaden in Millionenhöhe entstanden, erklärte der Staatsanwalt. Der Angeklagte hatte die Taten im Prozess weitgehend gestanden.
Angeklagter wegen Kindesentziehung vorbestraft
Nur ein halbes Jahr vor der Tat hatte das Amtsgericht Stade den 35-Jährigen bereits wegen Kindesentziehung zu einer Geldstrafe verurteilt. Er war im März 2022 mit dem damals dreijährigen Kind eigenmächtig in die Türkei gefahren. Die Mutter reiste hinterher und konnte die Tochter in einer Nacht- und Nebelaktion zurückholen.
Psychiaterin: Angeklagter voll schuldfähig
Eine psychiatrische Sachverständige kam im Prozess um die Geiselnahme zu dem Ergebnis, dass der Angeklagte voll schuldfähig ist. Der 35-Jährige habe eine auffällige Persönlichkeitsstruktur, er sei narzisstisch, respektlos und überheblich, aber nicht psychisch krank. Dass das Sorgerecht für die gemeinsame Tochter seiner Ex-Frau zugesprochen wurde, habe ihn massiv gekränkt.
Keine Reue
In seinem letzten Wort hatte der Angeklagte mit lauter Stimme schwere Vorwürfe gegen die deutschen Behörden und besonders das Familiengericht, dass das Sorgerecht seiner Ex-Frau zugesprochen hatte. Ein Wort der Reue oder des Bedauerns für seine Tat kam ihm nicht über die Lippen. Zum Prozessauftakt hatte er die betroffenen Flugreisenden und die Polizei um Entschuldigung gebeten. Seit dem 29. April verhandelte das Gericht an neun Tagen. Mehrmals war der Angeklagte laut und wütend geworden. Nur mit Mühe konnte ihn der Vorsitzende Richter beruhigen.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Der Angeklagte könnte in Revision gehen, das Urteil also anfechten. Seine Anwältin hat sich bislang noch nicht dazu geäußert, ob das geplant ist.