Hamburg: "Letzte Generation" setzt Tschentscher ein Ultimatum

Stand: 08.03.2023 10:36 Uhr

Klimaaktivistinnen und -aktivisten der Gruppe "Letzte Generation" haben Hamburgs Erstem Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) und mehreren Fraktionsvorsitzenden der Bürgerschaft in einem Brief ein Ultimatum gesetzt und mit Störaktionen gedroht.

Noch bis kommende Woche Montag geben die Aktivistinnen und Aktivisten dem Bürgermeister Zeit. Wenn Tschentscher bis dahin nicht auf ihre Forderungen eingeht, will die "Letzte Generation" ab dem kommenden Dienstag für eine "maximale Störung der öffentlichen Ordnung sorgen". Wie der Protest genau aussehen werde, schreibt die "Letzte Generation" nicht. Die Gruppe versicherte aber, dass er gewaltfrei und diszipliniert sein werde.

Aktivisten verlangen Einsetzung eines "Gesellschaftsrats"

Nach dem Willen der Gruppe soll sich Tschentscher dafür einsetzen, dass ein sogenannter Gesellschaftsrat eingesetzt wird. Das sind nach einem Los-Verfahren ausgewählte Bürgerinnen und Bürger, die sich gemeinsam Gedanken darüber machen sollen, wie Deutschland bis 2030 klimaneutral wird. Denn aus Sicht der "Letzten Generation" ist es höchste Zeit umzusteuern, um die Erderhitzung noch in den Griff zu bekommen.

NDR 90,3 Reporter Jörn Straehler-Pohl © NDR Foto: Anna Rüter
AUDIO: "Letzte Generation"-Ultimatum trifft auf wenig Verständnis (1 Min)

Unverständnis beim Senat

Der Hamburger Senat wies die Drohungen der "Letzten Generation" zurück. Tschentscher halte ein solches Vorgehen für nicht vertretbar, sagte Senatssprecher Marcel Schweitzer am Dienstag. Auch werde der Bürgermeister mit den Initiatoren keine Gespräche führen oder Vereinbarungen treffen. "Das Schreiben wurde unmittelbar nach Eingang an die Sicherheitsbehörden weitergeleitet, um den Inhalt in strafrechtlicher und sicherheitsrelevanter Hinsicht zu prüfen", so Schweitzer.

SPD: Gruppe schadet Umweltschutz eher

SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf sagte, er habe keinerlei Verständnis für Drohungen oder Ultimaten jeglicher Art, gerade gegenüber demokratisch gewählten Abgeordneten und Parlamenten. Er warf der Gruppe vor, dem Umweltschutz eher zu schaden, wenn grundsätzlich aufgeschlossene Menschen mit Störaktionen gegen Maßnahmen aufgebracht würden. Klimaschutz sei nur möglich, wenn man alle Bürger mitnehme. "Wir alle müssen aufpassen, dass es nicht zu Gegenbewegungen und einer Radikalisierung kommt, die dem Ziel eines wirksamen und nachhaltigen Klimaschutzes entgegenlaufen", sagte Kienscherf. Erste Anzeichen dafür gebe es bereits.

CDU: "Gefährliches Demokratieverständnis"

Der Vorsitzende der CDU-Fraktion, Dennis Thering, sprach von "Erpressung". "Dieses Vorgehen zeugt von einem gefährlichen Demokratieverständnis der 'Letzten Generation'", die sich mit dem Schreiben vollends disqualifiziere. "Wer Straftaten begeht und weitere androht, muss die volle Härte des Gesetzes zu spüren bekommen." Er lasse sich nicht erpressen, "schon gar nicht von derartigen Querulanten". Der CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Richard Seelmaecker (CDU) sagte dem Hamburg Journal am Dienstag: "Mit solchen Drohungen kommen wir in der Politik nicht weiter, wir müssen uns um das Sachproblem kümmern, das ist die Klimapolitik, das nehmen wir sehr ernst auf vielen Ebenen."

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Erste Reaktionen auf Drohung der "Letzten Generation"

Die Gruppe droht mit Störaktionen, falls die Hamburger Politik ihre Forderungen nicht unterstützen sollte. 1 Min

AfD: "Letzte Generation" keine Verhandlungspartner

AfD-Fraktionschef Dirk Nockemann, der als einziger Fraktionsvorsitzender nicht angeschrieben worden war, sprach von einer erpresserischen Kriegserklärung an Demokratie und Rechtsstaat. "Es zeigt die extremistische und damit gefährliche Ausrichtung dieser Klimachaoten." Sie seien keine Verhandlungspartner, "sondern ein Fall für die Sicherheitsbehörden".

Linke: Gewähltes Vorgehen schädigt demokratischen Diskurs

Stephan Jersch, umweltpolitischer Sprecher der Linksfraktion, stellt fest, dass die Klimakatastrophe längst da sei und versteht, dass auch in Hamburg klimabewegte Menschen wegen zu wenigen Maßnahmen verzweifeln. Dennoch würde ein solches Ultimatum "keine demokratischen Mehrheiten bewerkstelligen und auch kein Verständnis für notwendige Änderungen in unser aller Leben wecken". Das gewählte Vorgehen der "Letzen Generation schädige den "demokratischen Diskurs".

Grüne wollen sich vor Antwort erst besprechen

Deutlich zurückhaltender äußerte sich Grünen-Fraktionschefin Jenny Jasberg. Den Brief wolle man "jetzt erstmal intern besprechen und dann zu gegebener Zeit beantworten", sagte sie. Zunächst würden sich die Hamburger Grünen aber mit Kolleginnen und Kollegen aus anderen Bundesländern und dem Bundestag beraten. Dem Hamburg Journal sagte Jasberg am Dienstag: "Wir finden, dass das Anliegen, was von den sehr jungen Akteuren vorgetragen wird, durchaus legitim ist."

Einigung mit "Letzte Generation" in Hannover

Die Gruppe "Letzte Generation" hat einen Stopp ihrer Proteste bereits anderen Städten angeboten, wenn die jeweilige Regierung auf ihre Forderungen eingeht. So hatte etwa in Hannover Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne) den Aktivistinnen und Aktivisten nach einem Treffen versichert, deren Forderung nach einem "Gesellschaftsrat" mit einem Brief an die demokratischen Bundestagsfraktionen zu unterstützen.

Mehrere Klima-Proteste zuletzt in Hamburg

In Hamburg hatten Aktivistinnen und Aktivisten der "Letzten Generation" zuletzt am vergangenen Donnerstag Straßen am Hamburger Hauptbahnhof blockiert. Es kam zu gewaltsamen Tumulten, als Autofahrer versuchten, sie von der Straße zu holen - die Polizei ermittelt.

Am vergangenen Freitag hatte es in Hamburg außerdem eine Demo der Klimaschutzbewegung "Fridays for Future" gegeben. Tausende vor allem junge Menschen waren dem Aufruf zu einem Klimastreik gefolgt.

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Dieses Thema im Programm:

NDR 90,3 | Hamburg Journal | 07.03.2023 | 19:30 Uhr

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