Grüner Diesel im Hamburger Hafen: Gelingt der Abschied vom Öl?

Stand: 13.09.2024 09:45 Uhr

Der Hamburger Hafen ist für die Energie-Versorgung weit über Norddeutschland hinaus von Bedeutung. Noch dreht sich viel um Erdöl. Aber die Holborn Raffinerie denkt im Zuge der Klimakrise um - und setzt auf eine Anlage für grünen Diesel.

von Marc-Oliver Rehrmann

Für Geschäftsführer Lars Bergmann ist der Baustart ein ganz besonderer Moment. Auf dem Gelände der Holborn Raffinerie in Hamburg-Harburg schwebt am Donnerstag der erste Tank an einem riesigen Kran auf sein Fundament. Es ist der Startschuss für Deutschlands größte Anlage zur Produktion von grünem Diesel. Das Unternehmen gibt dafür 475 Millionen Euro aus. "Dieser Tag ist für mich - wie es unser Kanzler immer sagte - eine Zeitenwende. Wir haben heute den ersten Schritt in Richtung grüne Raffinerie gemacht," sagt Bergmann. In drei Jahren soll die Produktion von nachhaltigen Kraftstoffen dann anlaufen.

Das Geschäft mit Öl läuft noch gut

Auf dem Gelände der Holborn Raffinerie steht Geschäftsführer Lars Bergmann. © NDR Info Foto: Marc-Oliver Rehrmann
Holborn-Geschäftsführer Lars Bergmann will die Raffinerie fit für die Zukunft machen.

Bislang verdient die Raffinerie ihr Geld mit Erdöl. Fünf Millionen Tonnen Rohöl werden dort pro Jahr verarbeitet. Es ist ein Milliardengeschäft, aber eines ohne vielversprechende Zukunft. Bis 2045 will Deutschland klimaneutral sein. "Angesichts der Klimakrise müssen auch wir uns hinterfragen: Was machen wir mit den fossilen Kraftstoffen?", sagt Bergmann. Um einen CO2-armen Kraftstoff im Angebot zu haben, setzt das Unternehmen nun auf sogenannten grünen Diesel, auch als HVO bekannt.

Viel klimaschädliches CO2 wird eingespart

Als Rohstoffe für HVO dienen Abfall und Reststoffe: vor allem Altspeiseöle und -fette. Die neue Anlage in Hamburg soll davon pro Tag 500.000 Liter produzieren. Damit könnten 17.000 Diesel-Autos die Strecke Hamburg-München fahren. Der große Pluspunkt bei grünem Diesel: Die Klimabilanz ist viel besser als bei normalen Diesel. Pro Jahr könnten allein mit der Anlage in Hamburg 800.000 Tonnen klimaschädliches CO2 eingespart werden. Zum Vergleich: Ein generelles Tempolimit von 120 Kilometer pro Stunde auf deutschen Autobahnen könnte laut Umweltbundesamt rund 6,7 Millionen Tonnen bringen.

Alternative für die Ölheizung zu Hause?

Wo kann grüner Diesel zum Einsatz kommen? Im Grunde überall dort, wo jetzt normaler Diesel verwendet wird. Technische Umrüstungen sind nicht notwendig. "Unsere nachhaltigen Kraftstoffe können in Autos und im Schwerlast-Verkehr, aber auch in Flugzeugen und Schiffe eingesetzt werden", erklärt der Holborn-Geschäftsführer. "Auch in der Ölheizung zu Hause, die dann mit einem CO2-armen Brennstoff betrieben werden würde."

Landwirte könnten grünen Diesel nutzen

Auf dem Gelände der Holborn Raffinerie im Hamburger Hafen entsteht eine Produktionsanlage für nachhaltige Kraftstoffe. © NDR Info Foto: Marc-Oliver Rehrmann
Auf einer Fläche von fast fünf Fußballfeldern entsteht die Anlage für grünen Diesel.

Aber der grüne Diesel wird - auch auf lange Sicht - voraussichtlich nur eine Nischenlösung bleiben. Einfach, weil es zu wenig davon geben wird. "Wir haben nicht unbegrenzt Altspeiseöle und -fette zur Verfügung", sagt Christian Küchen vom Verband der Mineralölwirtschaft en2x. "Es gibt ein großes Angebot, auch weitaus mehr, als wir heute nutzen." Aber die Mengen würde eben bei Weitem nicht ausreichen, um den fossilen Diesel 1:1 zu ersetzen.

Daher ergibt es Sinn, HVO nur dort zu verwenden, wo es keine echte Alternative gibt. "Zum Beispiel in der Landwirtschaft: Wir werden nicht mit schweren Batterie-Traktoren über die Felder fahren", so Küchen. Im Auftrag der Bundesregierung soll er sich darum kümmern, dass die Mineralölwirtschaft mehr nachhaltige Kraftstoffe produziert.

Auch das Kerosin in Flugzeugen ist ein Klimaproblem

Die Luftfahrt-Branche sucht ebenfalls nach Lösungen, das Fliegen klimafreundlich zu machen. CO2-arme Kraftstoffe für Flugzeuge könnten helfen. Auch die will die Holborn Raffinerie mit ihrer neuen Anlage herstellen. "Wenn wir im Flugverkehr Klimaneutralität erreichen wollen, dann müssen wir sehr große Mengen fossiles Kerosin weltweit ersetzen", sagt Küchen. "Zumal die Flugreisen in Zukunft eher noch zunehmen werden."

Schon jetzt wird für Flugreisen dem herkömmlichen Kerosin nachhaltiger Kraftstoff beigemischt. Aber nur sehr wenig. Im vergangenen Jahr waren es weltweit erst 0,2 Prozent. Die EU schreibt allerdings ab 2025 vor, dass die Beimischung auf 2 Prozent steigt.

Umweltschützer halten HVO für bedenklich

Umweltschützer sehen grünen Diesel kritisch - ob für Flugzeuge oder Lkw. Weil die Rohstoffe für die Herstellung eben begrenzt sind und sie auch für andere Wirtschaftsbranchen wertvoll sind. Zudem gibt es die Sorge, dass heimlich auch Palmöl verwendet wird, für das viel Regenwald abgeholzt wird. Die Nachhaltigkeit der Rohstoffe ist auch für Christian Küchen ein elementarer Punkt: "Große Voraussetzung ist, dass das scharf kontrolliert wird, dass die Rohstoffe zertifiziert sind. Aber auch die Unternehmen, die das zertifizieren, müssen hart kontrolliert werden. Ich sage das bewusst als Vertreter der Mineralölwirtschaft."

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Erstmal als Beimischung zum normalen Diesel

Gegen grünen Diesel spricht zudem noch der höhere Preis gegenüber herkömmlichen Diesel. Das werde sich so schnell auch nicht ändern, weiß Lars Bergmann von der Holborn Raffinerie. "Ich gehe deshalb davon aus, dass wir den grünen Diesel zu Beginn als Beimischung zum normalen, fossilen Diesel machen. Dadurch wird der CO2-Fußabdruck des normalen Diesels sinken. Und es wird dadurch bezahlbarer, weil der Preiseffekt für die Kunden dann nicht so groß ist."

Auch Wasserstoff-Produktion geplant

Die Holborn Raffinerie in Hamburg setzt aber für die Zukunft nicht nur auf grünen Diesel. Bald kommt eine Anlage zur Produktion von grünem Wasserstoff hinzu, die ebenfalls im Jahr 2027 in Betrieb gehen soll. Aber das aktuelle Geschäft mit Erdöl läuft erst einmal wie gehabt weiter. "Die Verarbeitung von Rohöl fahren wir erst zurück, wenn die Nachfrage irgendwann sinkt", sagt Bergmann. Schließlich lässt sich mit dem klimaschädlichen Geschäft noch sehr viel Geld verdienen.

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NDR Info | Aktuell | 13.09.2024 | 10:07 Uhr

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