Bundesweiter Protesttag: Viele Arztpraxen geschlossen
In Hamburg sind am Montag viele Arztpraxen geschlossen geblieben. Grund war ein bundesweiter Protesttag der Kassenärztinnen und -ärzte. Auch in Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern sowie in anderen Bundesländern wurden Arztpraxen nicht geöffnet.
Viele Kassenärztinnen und -ärzte klagen über Einkommensverluste, nachdem Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) die Honorarregeln geändert hatte, um die Krankenkassen zu entlasten. Dabei sei Hamburg sowieso schon Schlusslicht bei den Honoraren für Ärztinnen und Ärzte, erklärte John Afful, der Chef der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg (KVH): "Das bundesweite Vergütungssystem orientiert sich an der Frage, wie viele alte Menschen und wie viele kranke Menschen es gibt. Hamburg zählt eher zu den jüngeren Regionen, aber auch zu den Regionen, die nicht so krank sind, wie man das in anderen Bundesländern kennt. Insofern ist das Geld, das von den Krankenkassen in Hamburg bereitgestellt wird, vergleichsweise gering - losgelöst von der Inanspruchnahme des Systems. Das heißt, wir haben viele Menschen, die zum Arzt gehen in Hamburg, aber es sind vergleichsweise junge Menschen und es sind vergleichsweise wenig kranke Menschen."
Wie stark die Einnahmen zurückgehen, macht zum Beispiel der Hausarzt Mike Müller-Glamann aus Bramfeld deutlich: 2020 habe er pro Quartal 68 Euro für jede Patientin oder jeden Patienten bekommen. Im ersten Quartal 2023 waren es noch 52 Euro, also 16 Euro weniger. Der Hausarzt muss also deutlich mehr arbeiten, um das gleiche Geld zu verdienen.
KVH: Gründung einer Praxis wird unattraktiver
Zugleich würden die Kosten für die Praxis-Mieten, die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen und auch die Heizkosten steigen, so die KVH. Sie warnt davor, dass es für junge Ärzte und Ärztinnen immer unattraktiver werde, eine Praxis zu gründen. Weil viele Kassenärztinnen und -ärzte aber schon kurz vor der Rente stehen, könnte es bald schon deutlich weniger Praxen in Hamburg geben.
Protest richtet sich gegen Gesundheitsminister Lauterbach
Der Protest richtet sich den Angaben zufolge gegen die Politik von Bundesgesundheitsminister Lauterbach. "Es ist ein deutliches Zeichen an die Gesundheitspolitiker der Ampelkoalition und an Bundeskanzler Olaf Scholz, dem Treiben Lauterbachs endlich einen Riegel vorzuschieben", sagte Dirk Heinrich, der Bundesvorsitzende des Virchowbundes, dem Verband der niedergelassenen Haus- und Fachärztinnen und -ärzte. Lauterbach wolle das Gesundheitssystem "unwiederbringlich in Richtung Staatsmedizin umbauen" und missachte die Belange der Praxisärztinnen und -ärzte.
Lauterbach kritisiert Praxisschließungen
Lauterbach hat die Praxisschließungen kritisiert: "Am Brückentag schließen viele Praxen, wie die Apotheker wollen auch sie mehr Geld. Im Mittel (Median) verdienen sie aber nach Abzug aller Kosten um die 230.000 Euro pro Jahr", schrieb er auf der Internet-Plattform X. Und er fragte: "Soll der Beitragssatz für Arbeitnehmer steigen, damit das Honorar weiter steigt?" Der Virchowbund hielt Lauterbach daraufhin vor, er könne nicht rechnen. Der Reinertrag einer Praxis sei kein Gewinn. Der Verband nannte andere Zahlen: Im Schnitt kommt eine Arztpraxis demnach auf einen Überschuss von 172.903 Euro im Jahr. Nach Abzug von Steuern, Altersvorsorge, Kranken- und Pflegeversicherung blieben 85.555 Euro netto.