Antisemitismusbeauftragter: "Juden werden in der Stadt unsichtbar"
Der Hamburger Antisemitismusbeauftragte Stefan Hensel fordert mehr Anstrengungen im Kampf gegen Judenhass. Insbesondere unter jungen Leuten müsse Aufklärungsarbeit geschehen, sagte er NDR 90,3.
"Für viele jüdische Menschen gehen die Uhren seit dem 7. Oktober anders", so Hensel. Er verwies auf eine dramatische Zunahme judenfeindlicher Straftaten nach dem Terroranschlag der Hamas und dem Gaza-Krieg. Das hat Folgen. Jüdische Studentinnen und Studenten würden sich nicht mehr an die Universität trauen, weil sie Angst haben, dort angegangen zu werden. Kranke würden sich nicht mehr vom Rabbiner im Krankenhaus besuchen lassen, aus Furcht, man könnte sie so als jüdisch identifizieren, berichtete Hensel.
Hensel: "Juden aus Hamburger Stadtbild verdrängt"
"Wenn sie heute durch die Stadt laufen, werden Sie vermutlich niemanden sehen, der eine Kette mit einem Davidstern trägt - von einer Kippa ganz zu schweigen. Das macht etwas mit der Sichtbarkeit von Juden. Man wird im weitesten Sinne aus dem Stadtbild verdrängt", sagte der Antisemitismusbeauftragte. In Hamburger Schulen werde er selbst mittlerweile kaum noch eingeladen. "Man möchte - das ist meine Deutung - nicht, dass das Thema 'Nahostkonflikt und Antisemitismus' dort breiteren Raum einnimmt. Vor dem 7. Oktober hatte ich noch viele Anfragen."
Kampf gegen Antisemitismus in Hamburgischer Verfassung
Laut Hensel bewegt sich an einigen Stellen aber auch etwas. Als Beispiel nannte er, dass der Kampf gegen Antisemitismus jetzt Teil der Präambel der Hamburgischen Verfassung ist. Hensel verwies auch auf die große Solidarität nach dem 7. Oktober. "Wir müssen jetzt vor allem in die Schulen und die Jugendzentren gehen, um mit den jungen Leuten darüber zu sprechen, was legitime Kritik am Staat Israel ist - und was Antisemitismus ist".
Jugendaustausch zwischen Hamburg und Israel
Ein besonderes Anliegen ist ihm ein Jugendaustausch. Hamburg solle sich im Deutsch-Israelischen Jugendwerk engagieren, um reale Begegnungen zwischen Juden und Jüdinnen sowie Nicht-Jüdinnen und Nicht-Juden, zwischen Hamburgerinnen und Hamburgern sowie Israelis zu ermöglichen. Die Planungen dafür stehen offenbar kurz vor dem Durchbruch.
Hensel will das Amt fortführen
Hensel übt das Ehrenamt zurzeit kommissarisch aus, steht aber für eine zweite Amtszeit zur Verfügung. "Die Jüdische Gemeinde hat sehr nachdrücklich klar gemacht, dass ich weitermachen soll", so Hensel. Die Liberale Jüdische Gemeinde, die nicht Teil der Einheitsgemeinde im Grindelviertel ist, hatte zuletzt kritisiert, Hensel würde sie nicht berücksichtigen. Hensel verweist auf gute persönliche Kontakte dorthin. Die Äußerungen des Gemeindevorstands hätten nichts mit ihm als Person zu tun, sondern mit der Situation der kleinen Gemeinde und deren Status in der Stadt. "Letztlich entscheidet die Bürgerschaft darüber. Ich stehe dafür bereit", so Hensel.