"Eine Vielzahl von Rechtsverstößen"
Einige Krankenkassen versuchen offenbar, Krankengeldempfänger gezielt unter Druck zu setzen. Der oberste Datenschützer von Schleswig-Holstein, Thilo Weichert, hält diese Praxis ingesamt für unzulässig. Lesen Sie hier ein ausführliches Interview.
Wie bewerten Sie den Fragebogen der Krankenkasse?
Thilo Weichert: Fragebögen zur Erhebung der Krankheitssituation dürfen Krankenkassen ihren Mitgliedern nicht zusenden, das ist absolut verboten. Es gibt aber die Befugnis für die Krankenkassen, eine Beratung vorzunehmen, die ist aber ausschließlich freiwillig. Darauf muss hingewiesen werden. Fragebögen, die diese Kriterien nicht erfüllen, sind komplett unzulässig.
Welche Fragen sind konkret unvertretbar?
Weichert: Auf jeden Fall dürfen die Krankenkassen nichts erfahren über die konkreten Behandlungen, über die konkreten Krankheiten und die Ursachen, wenn hier nicht umfassend vorher auf die Freiwilligkeit hingewiesen wurde und die Intention wirklich Beratung und nicht Kostenreduzierung ist. Überhaupt nicht akzeptabel sind private, hochsensible familiäre Fragen nach seelischen Problemen, die unter Umständen zur Krankheit geführt haben könnten. Das ist etwas, was niemand einer Krankenkasse mitteilen muss und deshalb sollte man den Krankenkassen auch klar sagen, dass hier eine Grenze überschritten ist.
Solche Fragen müssen also nicht beantwortet werden?
Weichert: Eine Pflicht zur Beantwortung besteht in keinem Fall. Im konkreten Fall ist ja noch nicht mal auf die Freiwilligkeit der Beantwortung auch nur ansatzweise hingewiesen worden. Auch die Begründung, warum diese Fragen gestellt worden, ist offensichtlich an den Haaren herbeigezogen.
Inwiefern?
Weichert: Es beginnt schon mit der ersten Frage: "Welche Beschwerden sind die Ursache für die Arbeitsunfähigkeit, wie wirken sich diese auf ihre Leistungsfähigkeit aus?" Da geht es nicht um die Frage der Ursache der Krankheit sondern generell die Leistungsfähigkeit. Dann wird nach "privaten Belastungen" gefragt, die angeblich die "bestehenden Beschwerden aufrecht erhalten und verschlimmern". Auch hier werden familiäre Belastungen explizit genannt, das heißt also, man muss wirklich das Innerste nach außen kehren, um weiterhin Krankengeld zu bekommen.
Wenn es wirklich um eine Beratung ginge, wären die Fragen relevant, die für eine Verbesserung der Gesundheitssituation entscheidend sind. Angaben über das familiäre Umfeld, Probleme im seelischen Bereich, die mit der Krankheit selbst nichts zu tun haben, dürfen dagegen nicht gestellt werden. Im konkreten Fall aber werden die Daten erhoben und ganz offen mit der Drohung verbunden, bei Nichtbeantwortung die Zahlung des Krankengeldes einzustellen.
- Teil 1: "Eine Pflicht zur Beantwortung besteht in keinem Fall"
- Teil 2: "Das ist alles verboten"