Texte, Songs und Improvisationen von Jens Thomas
Wer Jens Thomas jemals live erlebt hat, weiß, dass bei seinen Konzerten und Performances alles Mögliche passieren kann. Seine Musik ist eine Erkundungstour.
Jens Thomas ist nicht nur ein begnadeter Pianist und Sänger: Er taucht regelrecht ab in die Musik und nimmt seine Zuhörer mit auf eine Erkundungstour, bei der das Zuhören eine zentrale Rolle spielt und der Improvisation keine Grenzen gesetzt sind. Seit Jahren arbeitet Thomas an einer Textsammlung, die unter dem Titel "Zuhören!" als Buch erscheinen soll. Zudem hat er ein neues Album produziert mit Songs von Neil Young, das nächstes Jahr veröffentlicht wird. In seinem Konzert bei NDR Kultur hat er beide miteinander verwoben - die Textsammlung und die neuen Songs - zu einer einzigartigen Collage.
Das Wichtigste am Zuhören sei die Fähigkeit, erwartungsfrei zu hören, erklärt Jens Thomas. Also nicht schon vorher bestimmte Dinge zu erwarten, wenn miteinander gesprochen werde, sondern zu hören, was jemand sagt und was passiert. Und auf den Klang zu hören, der beim Sprechen entsteht.
Muss man das Zuhören eigentlich erst lernen?
Jens Thomas: Wir können ja gar nicht NICHT zuhören. So wie wir auch nicht NICHT kommunizieren können, wie Paul Watzlawick gesagt hat. Das Spannende ist, dass die Ohren immer geöffnet sind, das heißt, wenn wir gesunde Ohren haben, haben wir sozusagen alle diese Fähigkeit. Aber das bewusste Hören ist vielleicht noch einmal eine Entscheidung, den Fokus darauf zu legen.
Wieso ist denn dieses bewusste Hören offenbar im Laufe der Jahre oft verschüttet worden?
Thomas: Ich glaube, das kommt durch die vielen Gedanken, die wir uns alle machen, und die Gedanken, die wir haben. Denn den Gedankenstrom wieder zu unterbrechen, passiert auch durch einen Klang, den ich höre. In dem Moment bin ich wieder in der Gegenwart, und in dieser Sekunde mache ich mir keine Gedanken. Dann öffnet sich ein Tor ins Hören.
Du kommst eigentlich vom Jazz. Vor zwei Jahren hast du ein Album vorgelegt, auf dem du nur noch als Liedermacher unterwegs warst - auf Deutsch, auf Englisch, eigene Kompositionen, eigene Texte, fast alles alleine eingespielt. Warum hast du jetzt nicht wieder eigene Stücke aufgenommen? Warum ein Album mit Kompositionen und Stücken von Neil Young?
Thomas: Es gibt immer so Wellenbewegungen. Einmal bin ich eher mit mir und meiner Welt beschäftigt, und dann tut es total gut, sich anderen Welten zu öffnen. Neil Young war jetzt in dem Moment einfach an der Reihe, weil ich eben auch viel über die Vergangenheit nachgedacht habe, weil ich diese Textsammlung geschrieben habe. Und dabei habe ich auch einen Text über Neil Young geschrieben und was er für mich bedeutet. Da war das naheliegend.
Diese Textsammlung heißt "Zuhören!". Warum hast du sie geschrieben?
Thomas: Ich habe schon vor vielen Jahren damit angefangen. Immer wenn ich auf Tour war, habe ich was aufgeschrieben, was mir einfiel. Dann habe ich eine lange Zeit Seminare mit Laien gemacht, die mit ihrer Stimme arbeiten wollten. Da ich selber stimmlich Autodidakt bin, war das sehr spannend mit Leuten zu arbeiten, die eigentlich gar keine Erfahrung hatten. In dem Moment wurde mir bewusst, wie wichtig das Hören ist, weil die Leute immer dann, wenn sie wirklich ins Hören kamen und sich bewusst den Klängen zugewandt haben - oft mit geschlossenen Augen - fantastische Sachen mit der Stimme machen konnten. Hinterher sagten sie: "Das habe ich ja noch nie gekonnt, so hoch und so laut kann ich gar nicht singen." Dabei ging es immer nur über die Emotionen und das Hören. Ich habe gesagt, irgendwas muss da dran sein. Mit dem Schauspieler Matthias Brandt habe ich seit zehn Jahren ein Duo, wo das Zuhören sehr elementar ist, weil wir im Grunde überhaupt keine Absprachen haben. Das eröffnet einen Raum, wo ich dachte, da will ich mir jetzt mehr Gedanken drüber machen.
Das Gespräch führte Claus Röck.