Ulrich Kühn © NDR Foto: Christian Spielmann
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AUDIO: NachGedacht: Warum Deutschland nicht abhebt (3 Min)

NachGedacht: Warum Deutschland nicht abhebt

Stand: 18.08.2023 06:00 Uhr

von Ulrich Kühn

Wenn ich eine Regierungsmaschine wäre, Sie wissen schon, so ein Ding von der Flugbereitschaft der Bundeswehr - ich würde es genauso machen. Ich würde meinen Flugbereitschafts-Flugzeugpopo nur ein paar Zentimeter vom Boden hochkriegen und würde kein Tempo aufnehmen.

Vertragt euch und macht eure Hausaufgaben!

Nach einer Runde im Kreis würde ich einen Seufzer tun und Folgendes sagen: "Leute, lasst Kerosin ab, wir bleiben, wo wir sind. Abhauen kommt nicht infrage. Ihr setzt euch jetzt auf die Hosenböden, und zwar sofort und hier, und macht eure Hausaufgaben. Als erstes vertragt ihr euch wieder, sonst geht nichts voran. Und dann wird gute Arbeit gemacht. Habt ihr verstanden, Kinder? Es gibt heute keine schicken Gangway-Fotos in ausgewählter Klamotte, die Gangway fällt aus, ich streike. Und kommt bloß nicht auf die Idee, auf Linienflüge auszuweichen: In diesen Linienmaschinen sitzen echte Bürgersleute, die euch ihre Stimmen gaben. Die würden euch sofort diesen Auftrag geben: Vertragt euch und macht die Hausaufgaben. Also exakt den Auftrag, den ihr von mir sowieso bekommt. Weil es sich nämlich so verhält: Wenn die Regierungsmaschinerie als ganze nicht funktioniert, hebt dieses Land nicht wieder ab. Ihr lest doch die Zeitung, oder? Da ist von 'Deutschlands Abstieg' bis zum 'Zerfall des gesellschaftlichen Zusammenhalts' alles im Angebot, und zwar in dem Teil der Presse, der euch eher wohlwill. Ich als Regierungsmaschine, die den Popo nicht hochkriegt, bin nur das Symbol dafür - für die, die es gerne einfach haben. Ahnt ihr, wie viele hämische Dankesschreiben aus aller Bürgerinnen Provinzen mich erreichen, weil ich Frau Baerbock nicht fliegen wollte?"

Das würde ich in etwa sagen, wenn ich Regierungsflugzeug wäre. Nun ist das aber natürlich der purzelblödeste Populismus. Die Außenministerin muss fliegen, sie ist schließlich dazu da, Deutschland nach außen zu repräsentieren. Gut, Annalena Baerbock meint, dass dieses Land auch von ihrem inneren und innerlichen Mittun schwer profitiert. Doch das ändert nichts an ihrer Aufgabenstellung. Und sage bitte niemand, es passe doch so schön, dass ausgerechnet eine grüne Ministerin am Fliegen gehindert wird. Auch Ikarus konnte fliegen und brauchte kein Kerosin dafür. Na gut, das perfekte Role Model ist er nicht. Aber von Absturz redet ja keiner. Wir stecken am Boden fest.

Diese Demokratie darf niemals abstürzen

Und weil das alles so ist - eben deshalb würde, wenn ich Regierungsmaschine wäre, mein Beitrag zum Abheben nicht darin bestehen, Ministerinnen in die Lüfte zu tragen. Verdammt noch mal, ich erwarte, dass du, liebe Regierung, aus eigener Kraft auf Flughöhe kommst, damit wir dann alle abheben können. Was das genau bedeutet, wohin die Reise gehen soll, welchen Zwecken sie folgt: Das sind Fragen, die heiß diskutiert werden müssen. Aber wie soll man sie besprechen, wenn ihr euch gegenseitig blockiert? Und sehenden Auges dazu beitragt, dass die, die sich jetzt ins Fäustchen lachen, Umfrage-Flughöhenkönige bleiben? Ihr habt Verantwortung, alle, Regierung und demokratische Opposition. Es geht jetzt, das Pathos ist angezeigt, um diese Demokratie, die noch eine gute Flughöhe hat, aber niemals - niemals! - abstürzen darf.

Flugzeugabstürze sind selten. Wenn sie geschehen, sind sie Katastrophen. Der Absturz dieser Demokratie nach einem Dreivierteljahrhundert wäre eine historische Katastrophe ersten Ranges. Man will nicht mal daran denken müssen. Also rauft euch gefälligst zusammen und macht eure Hausaufgaben.

Weitere Informationen
Ulrich Kühn, Claudia Christophersen und Alexander Solloch. © NDR Foto: Christian Spielmann

NachGedacht

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | NachGedacht | 18.08.2023 | 10:20 Uhr

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