Nachgedacht: Störfall Tania Bruguera
Ab heute findet in München die jährliche Sicherheitskonferenz statt. Wie immer werden mehrere hundert Teilnehmer erwartet. Sich treffen, um über Sicherheit und Stabilität zu sprechen im Angesicht der weltweiten Krisen und Kriege, ist wichtig - gerade jetzt.
Zum 60. Mal wird an diesem Wochenende die Münchner Sicherheitskonferenz abgehalten. Ringen um Sicherheit und Strategien, die Frieden garantieren sollen, an einem Ort, der eingeübt ist, an dem sich die internationale Polit-Prominenz trifft, um vis-à-vis über aktuelle und künftige Fragen der Sicherheitspolitik zu sprechen. Das war schon der Gedanke 1963 als die Konferenz ins Leben gerufen wurde - ein Jahr nach der Kubakrise.
Die Ukraine ächzt, aber "America First"
2024 nun hat eine Sicherheitskonferenz im wörtlichen Sinne besondere Dringlichkeit. Die Ukraine ächzt, wird von einem Mann attackiert, der die Geopolitik umkrempeln und seinen Machtbereich unbestimmt erweitern will, der nur dann zu Gesprächen bereit ist, wenn er ohne Kompromiss bekommt, was er will.
Jenseits des Atlantiks sitzt ein anderer Mann, der nicht an der Macht ist, aber im Wahlkampf, der seinen Einfluss überall, wo er kann, spielen lässt und Entscheidungen herbeiführen will, die die globalen Verhältnisse durchschütteln und in Frage stellen. So ist Donald Trumps jüngste Drohung, säumige europäische Nato-Länder nicht verteidigen zu wollen, weil sie nicht genügend Geld in den Waffentopf zahlen - eine Botschaft auch in Richtung Russland. Ja, er würde das Land "sogar ermutigen zu tun, was immer es tun wolle". Sätze, die ungefiltert aus ihm herauspoltern, die Unruhe auslösen, die gefährlich sind. Denn was bedeuten sie? Donald Trump verfolgt nach wie vor seine "America First"-Politik, die brandgefährlich werden kann.
Sicherheit ist an vielen Orten gefragt
In diesem unruhigen Weltspektakel suchen Kultur, Kunst und Philosophie nach einem roten Faden, nach Möglichkeiten und Räumen, sich zu sammeln und zu besinnen. Die auch auf der letzten documenta vertretene kubanische Künstlerin Tania Bruguera wollte am vergangenen Wochenende in Berlin 100 Stunden lesen. Der Text: Hannah Arendts "Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft", die legendäre Totalitarismusstudie von 1951, in der die Philosophin auch das Aufkeimen antisemitischer Strukturen im Nationalsozialismus zu erklären und zu analysieren versucht. Brugueras Kunstprojekt könnte zu Zeit und Stunde passen. Rekapitulieren, was in der Vergangenheit passiert ist, darüber nachdenken, was sich aus der Geschichte für Gegenwart und Zukunft daraus ableiten lässt. Hehre Idee, doch leider am vergangenen Wochenende in Berlin nicht störungsfrei und nicht ohne Kontroverse abgelaufen. Nach 88 Stunden wurde die Kunstaktion abgebrochen, niedergebrüllt von israelfeindlichen Aktivisten mit Hasstiraden und Beleidigungen.
Haben Hannah Arendts Gedanken in der gegenwärtig aufgewühlten Debattenlage keine Chance mehr auf ungestörtes Gehör? Sollten sie es vielleicht gar nicht haben, weil die Störung womöglich Teil der Inszenierung war? Schlimm genug der Vorfall, beschämend und hässlich dazu, wenn Namen wie Hannah Arendt und hochkarätige Texte für Antisemitismus, Hetze und Gewalt instrumentalisiert werden.
Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, zu der auch der "Hamburger Bahnhof" gehört, hat Strafanzeige gestellt und will, so eine Sprecherin, das Sicherheitskonzept überprüfen. "Sicherheit" ist an vielen Orten gefragt. In München wird man sie an diesem Wochenende auf globaler Ebene deklinieren mit ausgewiesenen Sicherheitsexperten. Hoffentlich störungsfrei.