NachGedacht: Mondsüchtig
In dieser Woche hat wieder einmal ein Himmelskörper die Gemüter auf der Erde bewegt - zu Recht, findet Lena Bodewein, auch wenn sich die Vorzeichen der Faszination geändert haben.
Der Mond ist aufgegangen, und über Jahrtausende projizieren wir unsere Träume und Sehnsüchte auf ihn. Natürlich wurde er als Gottheit verehrt, sein Geschlecht schon jeher offen, ob Sister Moon oder Mann im Mond, so steuert er/sie die Geschicke auf Erden, lenkt die Gezeiten, und das aus lange unerreichbaren Sphären, rätselhaft und verlockend zugleich: Was ist da, was lauert da, auf der dunklen Seite des Mondes? Das Böse? Ein Pink-Floyd-Album? Oder locken doch nur Frau Luna und Prinz Sternschnuppe?
Mit "Peterchens Mondfahrt" beginnt es
Wir wenden jedenfalls den schwärmerischen Blick zum fahlen Antlitz oder auf den silberglänzenden Mondesschein, und wer jetzt nicht "Moon River" im Ohr hat, der denkt vielleicht eher an "Fly Me To The Moon". Die Reise dorthin, der Tanz zwischen den Sternen, all das immer Wunsch des Menschen, von Kindesbeinen an, mit "Peterchens Mondfahrt" beginnt es. Kein Wunder, dass Filmpionier Georges Meliès die Menschheit mit einem der frühen kinematographischen Meilensteine auf die Reise zum Mond schickt, "Le Voyage dans la Lune", der erste Science-Fiction-Film.
Ach ja, wäre es doch Fiktion geblieben. Nein, die Illusion musste ja ruiniert werden durch irdische Wichtigtuereien, durch Große-Jungs-Angebereien. Das Rennen zum Mond, der Kampf der Systeme - wer erobert das Statussymbol? "Die Russen haben den Mond rot angemalt, Mr. President. - Macht nix, nehmt weiße Farbe und schreibt 'Coca Cola' drauf", so der alte Witz.
Der Mond: Projektionsfläche der Träume und Wünsche
Die Machtdemonstrationen des Kalten Krieges wurden in das Weltall verlegt und man sieht: Sobald dieser Himmelskörper - und damit all die auf ihn projizierten Träume - erreichbar werden, wird es schwierig. Und sehr reell: Dann entpuppt sich die Projektionsfläche der Träume und Wünsche, Heim von Mondgöttin und Mondhasen, als garstiger Gesteinsbrocken ohne eigene Atmosphäre, so garstig, dass erst Sonntag eine russische Sonde bei der Landung abstürzte, in Nachfolge vieler anderer gescheiterter Missionen.
Indien konnte am Mittwoch dagegen stolz die geglückte Landung verkünden, es gehört jetzt auch zum exklusiven Club der lunaren Nationen. Mal sehen, wie lange das noch exklusiv bleibt: Japan startet am Wochenende eine Sonde; jetzt muss jeder Hans und Franz dahin reisen und versuchen, das, was sie auf der Erde sein wollen, auf dem Mond zu etablieren.
Man könnte bessere Wettrennen veranstalten
Da stecken sie ihren Ehrgeiz hinein. Und Geld, so viel Geld! Damit könnte man doch bessere Wettrennen veranstalten: Wir haben zuerst die Infektionskrankheiten ausgerottet! Wir haben als erste die Nahrungssicherheit sämtlicher Länder unter Wahrung ihrer Eigenständigkeit erreicht! Wir haben als erste jegliche Fluchtursachen abgeschafft! Schimpft mich naiv, aber man wird ja noch träumen dürfen.
Jetzt, wo die Mond-Sehnsucht ruiniert ist, hätte ich eine andere Idee: Es heißt ja nicht umsonst: "Den oder die könnte ich zum Mond schießen." Da gäbe es einige Kandidaten, die dort landen könnten: Trump, Putin, die AfD, Kim Jong Un… weit genug weg, um kein Unheil mehr anrichten zu können. Und wer dann zum Erdtrabanten hochschaut, wird meinen, der Mann im Mond sei jetzt so orange im Gesicht. Doch sein Gebrüll hört niemand mehr.