Ulrich Kühn © NDR Foto: Christian Spielmann
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AUDIO: Nachgedacht: Frühstück mit Angela Merkel (4 Min)

NachGedacht: Frühstück mit Angela Merkel

Stand: 22.11.2024 06:00 Uhr

Angela Merkel, die ewige Kanzlerin, legt ein Buch vor. Es geht um sie und die Weltpolitik. Ulrich Kühn kennt Auszüge - und warnt vor einer Mahlzeit mit Merkel.

von Ulrich Kühn

Jetzt sind sie endlich da. Also fast. Äh, wer? Na, Merkels Memoiren! Sie heißen "Freiheit" und erscheinen am Dienstag, aber "Die Zeit" hat schon jetzt Auszüge abgedruckt, und was soll man sagen? Wer gehofft hatte, in unserer Ex-Kanzlerin schlummere eine Prosakünstlerin, ein schriftstellerndes Wesen, das, nachdem es jahrelang sorgfältig vor der Öffentlichkeit verborgen…  Sie ahnen, was ich sagen will.

Keine schöne Prosa, aber anspruchsvoll

Nein, schöne Prosa ist das nicht, wer auch immer zuletzt den Stift geführt hat. Über den polternden Schröder-Gerhard des Wahlabends 2005 steht geschrieben: "Ich konnte nicht einschätzen, wohin die Sache laufen würde, es hätte mich aber sehr gewundert, wenn es gut war, was er gerade abzog." Es würde mich sehr wundern, wenn ein Deutschlehrer gut findet, was Angela da stilistisch abzieht.

Aber das ist nur die B-Note für die künstlerische Ausführung. Die A-Note ist interessanter, sie bewertet die technische Schwierigkeit. Und da kann man nach Lektüre der Auszüge sagen: Anspruchsvoll ist sie schon, diese biografische Kür.

Deprimierende Lektüre ...

Eine solche Anwärterin aufs Siegertreppchen beim Schaulaufen ums wohlwollendste historische Urteil muss schon virtuos hopsen und kurven, um all die heiklen Sprungelemente wie "Folgen meiner Russlandpolitik", "Konsequenzen von 'Wir schaffen das'" oder "Treffen mit Donald dem Größten" sturzfrei zu bewältigen. Schafft sie das? Es ist zu früh, das zu beurteilen. Deprimierend ist die Lektüre aber schon jetzt. Warum?

... wegen der SPD, ...

Weil nicht nur sie da sind, die Memoiren, und nicht nur sie wieder da ist, die Kanzlerin - sondern weil all die anderen auch noch da sind. Die irrlichternde SPD mit mehr gescheitertem als triumphierendem Kanzler, aber alles ist noch schlimmer, man ist um weitere zehn bis zwanzig Prozent gestutzt; Schröder schaffte noch gut 34 - davon kann Oskar-Olaf Scholz-Pistorius nicht mal im Traum fantasieren. Obwohl auch er noch da ist, der Realitätsverkennungswille dieser Partei, deren Stärke so wichtig wäre für die, die sie einst gut vertrat.

... wegen Putin ...

Ebenfalls immer noch da ist Russlands Herr namens Putin - aber alles ist noch schlimmer: 2007, während seiner berühmten Rede vor der Münchener Sicherheitskonferenz, hatte Merkel sich über Putin geärgert: "Mich regte vor allem seine Selbstgerechtigkeit auf." Heute fallen einem ein paar handfestere Erregungsgründe ein.

... und wegen Trump

Und schließlich ist auch er noch da, der trumpigste Trump aller Galaxien - aber alles ist noch schlimmer: Der immer schon maximal größte, zugleich irgendwie noch größer gewordene Donald sucht auch auf anderen Spielfeldern die Paradoxie. Zum Beispiel glaubt er, dass gutaussehende TV-Moderatoren das Leben im Sonnenstudio verbringen und gleichzeitig Ministerämter führen können. Und ist überzeugt, ein Mann, dessen Vermögen bald drei Viertel des deutschen Staatshaushaltes beträgt, der 300-fach-Milliardär auf Maximal-Ego-Trip Musk könne den Staat so zurichten, dass er effizient wird. Nun, er wird die Demokratie zurichten, sicher. Hoffen wir dabei Gutes?

Wer mit Merkel frühstückt, gewinnt nicht

Angela Merkel, als ihre Memoiren aufs Papier fanden, war voller Hoffnung. Sie wünsche sich von Herzen, so endet der Abdruck in der "Zeit", dass Kamala Harris, die sie mal bei einem Frühstück kennenlernte, sich "bei der Präsidentschaftswahl gegen ihren Mitbewerber durchsetzt".

Merkel hätte es wissen müssen: Mit wem sie frühstückt, in Washington oder Wolfratshausen, gewinnt nicht, sondern wird von der Geschichte verspeist. Mit wem hat Merkel Frühstück verzehrt? Das ist die bange Frage, die jetzt bis zum Erscheinen des Werks die Welt in Atem hält.

Anmerkung der Redaktion: Liebe Leserin, lieber Leser, die Trennung von Meinung und Information ist uns besonders wichtig. Meinungsbeiträge wie dieser Kommentar geben die persönliche Sicht der Autorin / des Autors wieder. Kommentare können und sollen eine klare Position beziehen. Sie können Zustimmung oder Widerspruch auslösen und auf diese Weise zur Diskussion anregen. Damit unterscheiden sich Kommentare bewusst von Berichten, die über einen Sachverhalt informieren und unterschiedliche Blickwinkel möglichst ausgewogen darstellen sollen.

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Ulrich Kühn, Claudia Christophersen und Alexander Solloch. © NDR Foto: Christian Spielmann

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | NachGedacht | 22.11.2024 | 10:20 Uhr

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