Ein Messgerät liegt auf einem aufgeschlagenen Buch mit arabischer Schrift © picture alliance / Godong | Pascal Deloche
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Zahlen im Koran: Wunder oder Überinterpretation?

Stand: 12.07.2024 11:46 Uhr

In vielen Religionen der Welt spielen Zahlen eine wichtige Rolle - auch im Islam. Der Koran offenbart etliche Zahlenwunder und wurde dahingehend immer wieder gründlich untersucht. Dorothee Lauer von der Universität Göttingen kennt sich damit aus.

von Martina Kothe

Meist, so ist die Vermutung, hatten bestimmte Zahlen auch bereits vor ihrer religiösen Verstärkung einen Platz im Leben der Menschen: Durch ihre Einzigartigkeit, man denke an Primzahlen, durch ihre Häufigkeit in der Natur, zum Beispiel bei Blütenblättern, oder durch ihre schiere Größe.

Die Ethnologin und Islamwissenschaftlerin Dorothee Lauer von der Universität Göttingen beschäftigt sich mit Zahlen in der islamischen Welt: "Am Anfang konzentrierte sich die islamische Welt auf Mekka und Medina. Durch die schnelle Ausbreitung kamen immer weiter entfernte Länder und Städte hinzu", erklärt sie. "Man musste ja wissen, wo die Gebetsrichtung in der Moschee ist. Das musste mathematisch errechnet oder astronomisch bestimmt werden. Von daher war das Wissen um Astronomie und Mathematik aus religiösen Gründen wichtig."

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Zahlenwunder im Koran

Die Zahlen spielten also von Anfang an eine wichtige Rolle in der islamischen Welt. Sie wurden rasch zum Dreh- und Angelpunkt eigener Überlegungen und Anwendungsgebiete.

Mit Blick auf die heiligen Texte, gab und gibt es bis heute in unterschiedlichen Alphabeten eine Besonderheit: Die sogenannte Gematrie: "Es ist ebenso wie im Griechischen und Hebräischen, dass jeder Buchstabe des Alphabets einen Zahlenwert hat", erläutert Dorothee Lauer. "Das arabische Alphabet heißt 'Abdschad', und die Zahlenwerte wurden nach dem alten phönizischen Alphabet bestimmt. Diese Buchstaben wurden in drei Neuner-Gruppen mit ihren Zahlenwerten eingeteilt, so dass zum Beispiel die erste Gruppe die Einerzahlen von eins bis neun wiedergibt. Das ist der Buchstabe Alef bis Ter. Die zweite Gruppe sind die Zehnerzahlen, die dritte die Hunderter bis 900. Der letzte Buchstabe nach dem phönizischen Alphabet ist der Buchstabe Rein und ist die Tausend."

Ein Umstand, der dazu führte, dass im Koran unzählige Zahlenwunder nachgewiesen werden konnten, so Dorothee Lauer: "Der Koran besteht aus Kapiteln, die nennen wir Suren, und zwar 114 Suren. Ein mathematisches Wunder ist, dass es zum Beispiel genau 57 Suren mit ungeraden Verszahlen gibt und genau 57 Suren mit geraden Verszahlen. Erstaunlich ist auch, dass das Wort Monat im Koran genau zwölfmal vorkommt, also nicht dreizehnmal, sondern zwölfmal. Der Tag wird genau 365-mal im Koran erwähnt und die Tage kommen 30-mal vor. Also das ist so eine Art mathematisches Wunder. Die Spekulationen waren groß und reich und gehen bis in die Neuzeit."

Entdeckung des Koran-Codes

Im 20. Jahrhundert ist vor allem ein Name mit dem Nachweis mathematischer Wunder im Koran verbunden: Rashad Khalifa. Der gebürtige Ägypter wanderte Ende der 1950er-Jahre in die USA aus und begann in den 1970er-Jahren den Koran mittels Computertechnik zu untersuchen. So entdeckte er, wie er selbst sagte, den Koran-Code. "Interessanterweise kam er darauf, dass immer wieder die Zahl 19 auftaucht," beschreibt Dorothee Lauer von der Universität Göttingen. "Es gibt die Basmala, die Basmala ist die Formel: 'im Namen Gottes, des Barmherzigen, des Gnädigen'. Diese Basmala steht allen Koransuren, bis auf die Sure neun, voran und setzt sich folgendermaßen zusammen: Das erste Wort der Basmala, 'Ism', also der Name, kommt genau 19-mal im Koran vor. Das Wort 'Allah', das zweite Wort der Basmala, kommt 2698-mal vor. Diese Zahl lässt sich aus 19 mal 142 rechnen, das ergibt diese 2698. Das dritte Wort ist 'Rahman', der Barmherzige, das kommt 57-mal vor. Das setzt sich zusammen aus 19-mal drei und Rahim der Gnädige wird 114-mal im Koran erwähnt, das errechnet sich aus 19 mal 6. Rashad Khalifa hat noch viel, viel mehr Beispiele gefunden, wo diese Zahl 19 auftaucht. Es ist ein verblüffendes Beispiel für eine moderne Interpretation dieser Bedeutung der Zahlen."

 

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