“Wir sehen uns als Deutsche”
In der Öffentlichkeit werden sie oft noch zu wenig wahrgenommen: junge Muslime, die sich gesellschaftlich engagieren. Ein Beispiel von vielen: JUMA, ein Verein für junge Musliminnen und Muslime in Deutschland. Vor acht Jahren wurde er in Berlin zunächst als Projekt gegründet. Seitdem mischen sich die Jugendlichen ein. Mit Diskussionsveranstaltungen etwa oder einer Werbetour durch Deutschland. Doch wofür steht JUMA?
"Was JUMA an sich ausmacht - es ist ein unabhängiger Zusammenschluss von jungen Musliminnen und Muslimen, die sich als Deutsche definieren", sagt Nasiha Ahyoud. Sie koordiniert die Arbeit von JUMA in Berlin."Die jungen Muslime sind in Deutschland verwurzelt, engagieren sich für Deutschland, für ihre Rechte. Sie werden sichtbar. Und das ist in dieser Form einzigartig und neu."
JUMA arbeitet unabhängig von den muslimischen Verbänden
Der Name des Vereins ist ein Wortspiel. Deutsch ausgesprochen bedeutet J U M A jung, muslimisch und aktiv. Arabisch gelesen bezieht sich Dschuma auf den "jom al dschumuah", den Tag der Versammlung der Gläubigen, also den Freitag. Dabei sind die Jugendlichen keine eifrigen Moscheegänger. "In Moscheen treffen wir uns generell nicht, einfach um da die Neutralität zu wahren", meint der 26 Jahre alte Dominic Leraille, der erst vor wenigen Jahren zum Islam konvertiert ist. "Wir haben bei JUMA eine breite Palette an Strömungen, Richtungen, Ansichten, die nie so in die Runde getragen werden."
JUMA will weder konservativ noch liberal sein, weder sunnitisch noch nur schiitisch. Die einzige Gemeinsamkeit: Alle sind jung und muslimisch. Für Friedmann Eißler, Islamexperte bei der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen, eine interessante Selbstaussage. "Meist hört man solche Argumente aus sehr konservativen Milieus, die dann eben sagen, es gibt nicht unterschiedliche Islame, es gibt nicht den deutschen, den liberalen und nicht den konservativen, sondern es gibt DEN Islam", stellt Eißler fest. "Und damit ist dann in der Regel eine Stoßrichtung verbunden, die sagt: kritisiert bitte nicht den Islam, sondern der hat aber eben seine Form. Und das ist der Islam, der sich in der Tradition über die 1400 Jahre ausgebildet hat und der ist zu akzeptieren."
Zwischen Islamdebatte und fehlender Anerkennungskultur
Die JUMA-Jugendlichen reagieren im Interview zunehmend gereizter, wenn man sie nach der aktuellen Islamdebatte fragt, egal ob Kopftuch, Antisemitismus-Problem oder Erdogan. Sie wollen nicht auf solche Fragestellungen reduziert werden. Statt Muslime ständig für Stellungnahmen zu kritischen Fragen rund um den Islam anzufragen, sollte man vielmehr ihre Leistungen würdigen, betont Nasiha Ahyoud. "Was gut tun würde, wäre zum Beispiel eine Form von Anerkennungskultur. Wir haben hier junge Muslime sitzen, die alle studieren."
Und die sich vor klaren politischen und theologischen Aussagen drücken, und sich nicht deutlich genug distanzieren, meint zumindest Islamexperte Friedmann Eißler. "Es sind sehr konservative Referenten auf Veranstaltungen von JUMA gewesen. Vor Jahren etwa hat auch Abdul Adhim Kamouss mitgewirkt bei einer Veranstaltung von JUMA. Er war damals noch deutlich im salafistischen Spektrum."
JUMA – eine wichtige Diskussions-Plattform
Natürlich müsse man jeder Form von Islamfeindlichkeit nicht nur in Deutschland entgegentreten. Da sei JUMA eine zu begrüßende Diskussions-Plattform. Aber nur, wenn auch alle Argumente auf den Tisch kämen, betont Eißler. "Wenn man dann die Diskurse anschaut, wie dieses Argument "Wir werden diskriminiert!" immer wieder eingesetzt wird - wo eben ein Stück weit auch abgelenkt wird von den zentralen Problemen: Wie gehen wir mit dem Religionswechsel in unseren Gemeinschaften um? Wie mit dem Frauenbild und den Frauenrechten in unseren Gemeinschaften?"
Das aber sei falsch. Man sehe sich nicht als Opfer. Vielmehr wolle man sich aktiv in der Gesellschaft engagieren, und dafür eben auch andere Glaubensgeschwister werben, sagt JUMA-Koordinatorin Nasiha Ahyoud: "Es sind genau diese Themen, wir werden konfrontiert mit Kopftuch, Antisemitismus, mit der Erdogan-Debatte. Ja, warum? Was ein großer Teil übersieht, ist, dass es eine neue Generation gibt von jungen Menschen. Sie sind an Diversität und Vielfalt in einer Weise gewöhnt, wie das vielleicht die älteren Generationen - das ist kein Vorwurf - nicht so waren."