Sendedatum: 28.04.2017 | 15:20 Uhr
1 | 11 Silvia Horsch, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Islamische Theologie an der Universität Osnabrück: "In meiner eigenen Schulzeit habe ich nur wenig über den Islam vermittelt bekommen und hatte damals auch nur ein reduziertes Bild vom Islam. Das ist heute, so sagen mir meine Studierenden, noch nicht so viel anders. Dabei ist es in einer Zeit, in der Muslime einen großen Teil der Gesellschaft ausmachen, wichtiger denn je, dieses Islambild zu erweitern."
© Silvia Horsch
2 | 11 Werner Pfau, Mitglied des Landesvorstandes der GEW Bremen, hat als Lehrer selbst Erfahrungen mit dem Thema im Unterricht gemacht: "Die konservative Re-Islamisierung hat auch die Schulen erreicht. Rechte Gruppen instrumentalisieren dies für ihr Ziel einer rassistischen Abschottung Europas. Dagegen wird in Schulbüchern für den Islamunterricht oft ein Bild des Islam gezeichnet, das alle Widersprüche tilgt und nur die schöne, heile Welt des Islam zeigt. Ich wünsche mir, dass noch mehr die Vielfalt dieser Religion mit all ihren Widersprüchen abgebildet wird – und zwar aus historisch-kritischer Perspektive."
© Werner Pfau
3 | 11 Bernd Ridwan Bauknecht, Islamlehrer und mehrere Jahre Mitglied der Deutschen Islam Konferenz: "Schulbücher behandeln 'den Islam' häufig aus einer problemorientierten Perspektive. Themen werden so vereinfacht und negative Verallgemeinerungen befördert. Zumal viele Lehrkräfte überfordert sind. Denn islamische Theologie, islamische Geschichte oder islamische Philosophie haben während ihrer Ausbildung keinerlei Rolle gespielt. Die Etablierung der islamischen Religionspädagogik an Universitäten und des islamischen Religionsunterrichts an Schulen befördern nun Lehrwerke, die durchaus problemorientierte Ansätze verfolgen, gleichzeitig aber auch die Perspektive erweitern."
© Bernd Ridwan Bauknecht
4 | 11 Das Georg-Eckert-Institut (GEI) in Braunschweig gehört zur Leibniz-Gemeinschaft und erforscht aus nationaler und internationaler Perspektive gesellschaftliche Deutungsmuster, Orientierungshilfen und Identitätsangebote, die über Schulbücher und andere Bildungsmedien vermittelt werden. Ein Forschungsschwerpunkt ist auch die Präsentation des Islam in Schulbüchern.
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5 | 11 Riem Spielhaus, Islamwissenschaftlerin und Leiterin der Abteilung Schulbuch und Gesellschaft im Georg-Eckert-Institut in Braunschweig: "Wir können in Schulbüchern ein zunehmendes Bewusstsein für die Vielfalt feststellen. In vielen Schulbüchern steht aber das Konfliktpotenzial religiöser Vielfalt im Mittelpunkt, in wenigen Büchern ist sie einfach Normalität. Der Islam etwa wird häufig als fremde Religion mit Gewaltproblem und Muslime werden als Migranten dargestellt. Die Vielfalt der Islaminterpretationen wird sehr selten angesprochen. Das spielt Extremisten auf beiden Seiten in die Hände, die die Fundamentalistische als die einzig richtige Auslegung verstehen."
© Riem Spielhaus
6 | 11 Auch in Schulbüchern wird Bezug auf die Terroranschläge am 11. September 2001 genommen, wenn es um die Gewaltfrage im Islam geht. Problematisch wird es, so Riem Spielhaus, wenn zum Beispiel Gewalt und Islam undifferenziert verknüpft werden oder wenn Konflikte dargestellt werden, ohne Beispiele für Dialog und friedliches Zusammenleben aufzuzeigen.
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7 | 11 Mit dieser Frage, so Riem Spielhaus, wird die Klasse in Muslime und Nichtmuslime gespalten: "Nichtmuslime werden angesprochen und sollen ihre muslimischen Mitschülerinnen befragen. Von ihnen wird angenommen, dass sie von woanders stammen. Dabei hat die Hälfte der rund 4,7 Millionen Muslime die deutsche Staatsbürgerschaft."
8 | 11 "Auch diese Frage provoziert eine Aufteilung der Klasse in Muslime und Nichtmuslime", sagt Riem Spielhaus. "Und nicht nur das: So als Musliminnen markierte Schülerinnen müssen eine Meinung zum Kopftuch haben und sich womöglich rechtfertigen. Die Nichtmuslime sollen ihre muslimischen Mitschülerinnen befragen. Sie selbst werden nicht dazu angeregt, eine eigene Meinung zu entwickeln oder diese zu hinterfragen."
9 | 11 Riem Spielhaus hat aber auch viele positive Beispiele gefunden. In einem Schulbuch etwa wurden Wörter mit arabischer Herkunft vorgestellt, wie Giraffe, Kiosk, Mokka, Schachmatt, Sofa, Ziffer oder Chemie. "Das heißt, man geht so anerkennend auf den Beitrag der arabischen Kultur zur kulturellen und wissenschaftlichen Entwicklung ein. Dass dieser Beitrag in Schulbücher gehört, fanden auch muslimische Jugendliche aus Berlin. Sie waren so enttäuscht von ihren Unterrichtsmaterialien, dass sie selbst welche erstellt haben."
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10 | 11 Yunus Güllü, Student an der FU Berlin und Vorsitzender von JUMA - jung muslimisch, aktiv, hat an der Broschüre mitgearbeitet: "Mit der Bildungsinitiative wünsche ich mir, die Existenz des Islam in Deutschland zu normalisieren und in der Schule Aufklärungsarbeit zu leisten. Der Islam ist seit Jahrhunderten in Europa verankert und gehört selbstverständlich zur europäischen Geschichte und Kultur. Dieses Narrativ gilt es, auch in Deutschland zu etablieren."
© Yunus Güllü
11 | 11 Riem Spielhaus: "Das Bild zeigt Imam Ferid Heider und Rabbiner Daniel Alter aus Berlin auf einem Tandem. Sie gehen zu zweit in Schulen und berichten vom jüdisch-muslimischen Zusammenleben in Deutschland. Solche Bilder wünsche ich mir in unseren Schulbüchern, denn religiöse Menschen haben viele Gemeinsamkeiten und kommen im Alltag oft sehr gut miteinander klar."
© Tino Pohlmann