Shabe Yalda 2023: Getrübte Stimmung beim iranischen Fest
Im iranischen Kalender hat die längste Nacht des Jahres eine besondere Bedeutung. "Shabe Yalda" heißt das Fest, das mit einem großen Essen in der Familie gefeiert wird. Aber durch die aktuelle Situation in Iran ist die Stimmung bei vielen Iranerinnen und Iranern getrübt.
Nishtman Abdolahi sitzt mit gesenktem Kopf auf einem Stuhl, ihr Blick ist getrübt. Besonders an den traditionellen iranischen Feiertagen kommt sie ins Grübeln. Doch trotz aller Schwierigkeiten und traurigen Momente wird in Braunschweig gefeiert. "Yalda ist ein sehr schönes und wichtiges Fest für uns. Ich kann mich erinnern, dass immer die ganze Familie zusammengekommen ist, wir sehr viel gelacht und viele schöne Momente gehabt haben. Aber es ist schwieriger geworden. Trotz allem wird aber gefeiert, weil das unsere Identität ist. Das ist für uns Iraner sehr wichtig, das ist unsere Tradition und alles, was wir haben."
Die 31-Jährige ist im kurdisch geprägten Nordwesten des Landes aufgewachsen. Vor ein paar Jahren hat sie ihre Heimat fluchtartig verlassen. Ihre Familie und viele ihrer Freunde, mit denen sie regelmäßig in Kontakt steht, leben noch in Iran: "Letztens habe ich mit meiner Freundin telefoniert und habe gesagt: 'Ich weiß wirklich nicht, wie ihr da überlebt.' Die Lage ist so schlimm geworden: Inflation ist die eine Seite, aber es gibt keine Freiheit, es ist alles strenger geworden. Wir haben momentan auch viele Streiks von verschiedenen beruflichen Gruppen."
Gesetze in Iran werden langsam gelockert
Die junge Künstlerin organisiert regelmäßig Demonstrationen in Braunschweig und Hamburg, auch wenn sie weiß, dass ihre Eltern und Freunde Probleme bekommen könnten. Der Auslöser war der Tod der 22-jährigen Mahsa Amini, die 2022 verhaftet wurde, weil ihr Kopftuch nicht richtig saß.
Doch inzwischen sei es ruhiger geworden, erzählt die Aktivistin Marzieh: "Die machen das nicht mehr so intensiv wie noch vor Monaten. Da in anderthalb Jahren wieder Wahlen sind, werden die Gesetze ein bisschen gelockert und viele Frauen können jetzt ohne Kopftuch auf die Straße gehen. Aber das ist nicht Sinn der Sache gewesen - der Aufstand war wegen der Freiheit, wegen der Redefreiheit, wegen der finanziellen Probleme vieler Menschen in Iran. Das war nicht nur wegen des Kopftuchs."
Zwischen Hoffen und Bangen
Marzieh lebt schon seit vielen Jahren in Braunschweig. Um an die neuesten Informationen aus ihrem Heimatland zu kommen, telefoniert sie, so oft es geht, mit ihren Freunden. Die Zeit um Shabe Yalda sei die Zeit des Wartens und ein bisschen der Einsamkeit, sagt Marzieh. Auch wenn das Feiern in diesem Jahr nicht so fröhlich ist, genießt sie es, mit ihrer Familie gemeinsam am Tisch zu sitzen: "Bei vielen Familien gibt es ein Zimmer mit einem Korsi - das ist wie ein viereckiger Tisch, und darunter ist so ein elektrischer Ofen. Vor vielen Jahren, als es noch keine Heizung gab, wurde das alles mit Holzkohle gemacht, und das half gegen die Kälte."
Während die Familie um den Tisch sitzt, liest das älteste Familienmitglied Gedichte von Hafez. Durch Goethes "West-östlichen Divan" wurde der persiche Lyriker auch in Deutschland bekannt. Viele Iranerinnen und Iraner haben gemischte Gefühle, zwischen Hoffen und Bangen, betont Nishtman Abdolahi. Ihr größter Wunsch ist: "Ein freies Iran! Dass die Politiker*innen die richtigen Entscheidungen treffen, wichtige Personen unterstützen und die Menschen in Iran nicht vergessen. Denn solange die Islamische Republik an der Macht ist, ist niemand sicher, egal ob in Iran, im Nahen Osten oder in Europa."