Muslimische Transfrau Leyla Jagiella: Glück im Islam gefunden
Die Transfrau und Muslimin Leyla Jagiella ist überzeugt, dass Glaube und Trans-Identität im Islam sich nicht widersprechen müssen. "Der Islam ist das, was meiner Vorstellung am ehesten zusagt", sagt sie.
Leyla Jagiella lacht gerne und viel. Zum Beispiel bei der Frage, wie es denn so war, in den 1980er-Jahren in einer deutschen Kleinstadt aufzuwachsen: "Das war natürlich auch nicht so das große Fest der Diversität. Sowohl was kulturelle Diversität, aber auch was Geschlechtlichkeit und Sexualität anging. Ich wusste schon sehr früh, dass das männliche Geschlecht, das mir von der Geburt an zugewiesen wurde, einfach nicht passt. Aber das stand auch im Gegensatz zu dem, wie die Gesellschaft um mich herum funktionierte. Und die ersten zwei Jahrzehnte bin ich mit diesem Konflikt durch mein Leben gegangen."
"Der Islam ist das, was meiner Vorstellung am ehesten zusagt"
Bei ihrer Identitätssuche lernt die heutige Religionswissenschaftlerin den Islam kennen: "Ich habe mich deswegen schon sehr früh mit Religion und mit Spiritualität beschäftigt und hatte glücklicherweise ein familiäres Umfeld, wo das auch Thema war, wo ich schon sehr früh Zugang zu Wissen über alle unterschiedlichen Religionen und Begegnungen mit Menschen verschiedener Religionen hatte. Dann konnte ich irgendwann für mich selber sagen - und das war schon sehr früh in meiner Kindheit: Der Islam ist eigentlich das, was meiner Vorstellung am ehesten zusagt."
"Drittes Geschlecht ist fester Teil der muslimischen Kultur"
Sie stellte irgendwann aber fest: Im "Mainstream-Islam" gibt es keinen Platz für sexuelle Diversität oder andere Geschlechtsidentitäten - aber in der islamischen Tradition schon: "Als ich Teenager war, kam das Internet in unser Haus und das eröffnete mir ganz andere Möglichkeiten zu recherchieren. Ich hatte Zugang zu der ganzen Welt und habe irgendwann festgestellt, dass es überall auf der Welt Menschen wie mich gibt. Es gibt Menschen, die muslimisch sind und die gleichzeitig Fragen an ihre Sexualität oder an ihr Geschlecht haben. Ich habe dann tatsächlich erfahren, dass es in Südasien, vor allem in Indien und Pakistan, aber auch in Bangladesch, ein drittes Geschlecht gibt und dass das fester Teil der muslimischen Kultur dort ist."
Mit 20 Jahren geht Leyla Jagiella nach Indien und später nach Pakistan. Sie lebt in der Gesellschaft dieser Menschen, der Hijra. Menschen, die Geschlechtsdiversität und Glaube vereinen. "Ich habe die Erfahrung gemacht: 'Wow, ich habe hier einen Platz in der Community, ich habe einen Platz in der Gesellschaft. Ich bin innerhalb der Community, gerade weil ich Muslimin bin, recht schnell aufgenommen worden."
Jagiella beobachtet immer mehr Angriffe
Und wie schätzt sie die aktuelle Situation in Deutschland ein? "Meine grundsätzliche Erfahrung in den letzten Jahren war: Es wird alles besser, auch in muslimischen Kontexten. Ich wurde von immer mehr Gemeinden oder anderen Organisationen eingeladen. Die Offenheit ist gewachsen. Aber jetzt sehen wir, dass es eine starke Rückentwicklung gibt. Was mich besonders erschüttert, ist, dass mittlerweile fast jeder eine Meinung zu diesem Trans-Thema hat. Diese Meinung kann wohlwollend und nett sein, aber sie kann auch sehr hässlich sein. Das führt dazu, dass Menschen wie ich sich nicht mehr in der gleichen Art und Weise frei bewegen, sondern du überlegst dir schon, wo du dich sicher aufhalten kannst, wo du dich sicher fühlst. Das beobachte nicht nur ich in den letzten Jahren, sondern auch viele andere Transmenschen, mit denen ich spreche, sagen auch, dass die Angriffe in der Öffentlichkeit leider wieder zugenommen haben."