Stand: 06.11.2015 10:41 Uhr

Kritischer Dialog

von Michael Hollenbach

In Bremen kommt die Synode, das Kirchenparlament der EKD, der Evangelischen Kirche in Deutschland, zusammen. Thema unter anderem: Flüchtlinge. Viele von diesen sind Muslime. Die Beziehungen zwischen den Protestanten und den Muslimen sind auf einem guten Weg. Das hört man von beiden Seiten immer wieder. Ein Zustandsbericht.

Wolfgang Huber  Foto: Soeren Stache
Der ehemalige EKD-Ratsvorsitzende Wolfgang Huber

Vor knapp zehn Jahren zeigte der damalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Wolfgang Huber, noch klare Kante und grenzte sich vom Islam ab. Sich als Protestant zu profilieren, das sei ja durchaus legitim, meint Firouz Vladi. Er ist Sprecher der Schura, des Rates der muslimischen Gemeinschaften in Niedersachsen. Aber er fügt hinzu: "Nicht so schön war, dass das Papier sich streckenweise las wie eine Abschrift aus dem Verfassungsschutzbericht. Damit hat er Themen ein Gewicht gegeben, die das religiöse Leben gar nicht beschreiben, also Sicherheitsaspekte."

Ein wunder Punkt in den evangelisch-muslimischen Beziehungen waren immer wieder Anschläge islamistischer Terroristen und die damit oft verbundene Aufforderung von Kirchenführern, die Muslime müssten sich deutlicher distanzieren. "Das ärgert uns", sagt Firouz Vladi, "das ist auch nicht angemessen so eine Reaktion. Denn sie nimmt sehr selektiv Dinge wahr, die über bestimmte Medien in die politische Diskussion eingebracht werden. Das tut dem Frieden zwischen den Religionsgemeinschaften einen Abbruch, wenn wir solche Dinge mit Schwerpunkt betrachten."

Dialogratgeber soll helfen

Vielleicht weil man um diese Stimmungslage weiß, haben die EKD und der Koordinierungsrat der Muslime kürzlich gemeinsam einen Dialogratgeber herausgegeben. Dieser soll das Gespräch im Alltag unterstützen. Denn vieles sei im christlich-muslimischen Dialog eben nicht selbstverständlich, sagt Wolfgang Reinbold, der Islambeauftragte der hannoverschen Landeskirche: "Viele von uns tappen ständig in Identitätsfallen. Wir reden über Leute, meinen etwas über Leute zu wissen, obwohl wir sie noch gar nicht gefragt haben."

Aufgegebene Kirchen zu Moscheen?

Ein anderer Kritikpunkt der Muslime: Warum können christliche Gotteshäuser, die aufgegeben werden, nicht an Muslime verkauft werden, um dort eine Moschee einzurichten? Stattdessen wurde manche Kirche sogar in ein Restaurant umgebaut. Firouz Vladi meint: "Die Farbe, die diese Diskussionen bekommen hat, die hat einen schalen Beigeschmack. Das passt eigentlich nicht in unsere Zeit."

Petra Bosse-Huber, Auslandsbischöfin der EKD, kann diese Kritik verstehen. Aber sie äußert die Befürchtung, der Verkauf einer Kirche an Muslime könne Wasser auf die Mühlen der Rechten sein: "Wir haben keinerlei Interesse, an der Stelle rechtspopulistische oder ausländerfeindliche Kräfte zu nähren, die sagen, da könnt ihr ja sehen: diese schöne Kirche, die haben sie jetzt übernommen." Doch sie fügt hinzu: "Vielleicht wird es eines Tages Normalität haben, im Moment hat es das noch nicht."

Die Sache mit den Feiertagen

Für die muslimischen Verbände leiste die evangelische Kirche oft "Hebammendienste", meint die Theologin: Unterstützung beispielsweise bei der Ausbildung muslimischer Klinik- und Gefängnisseelsorger sowie von Religionslehrern. Für diese Hilfe ist Firouz Vladi dankbar. Aber der Sprecher der Schura Niedersachsen weist darauf hin, dass mit den einreisenden Flüchtlingen der Anteil der Muslime in Deutschland weiter wächst. Da kann er sich in Zukunft auch einen islamischen Feiertag vorstellen: "Dieser Staat hat alle christlichen Feiertage - und nur die - als gesetzliche Feiertage geschützt. Wenn der Staat die christlichen Feiertage schützt mit staatlichen Instrumenten und nicht die der anderen Religionen, die an Quantität zunehmen, dann kommen wir in eine zunehmende Schieflage rein und das muss auch verfassungsrechtlich mal überprüft werden."

Also zum Beispiel den Pfingstmontag streichen und das islamische Opferfest als Feiertag einführen? Petra Bosse-Huber leuchtet das nicht ein: "Auf Anhieb scheint mir das keine besondere überzeugende Idee zu sein." Trotz mancher Differenzen: Grundsätzlich sind die evangelisch-muslimischen Beziehungen so gut wie noch nie. Das liegt auch an einer großen Aufgabe, die man gemeinsam angeht: die Integration der Flüchtlinge.

Die Sendung zum Nachhören
Mikrofon im NDR Kultur Sendestudio © NDR Online Foto: Mathias Heller
4 Min

Kritischer Dialog: Die evangelisch-muslimischen Beziehungen

In Bremen kommt die Synode, das Kirchenparlament der EKD, zusammen. Wie steht es um die Beziehungen zwischen Muslimen und Protestanten? Ein Zustandsbericht. 4 Min

Übersicht
Die Kuppel des Felsendoms in Jerusalem © NDR

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Reportagen aus dem Alltag von Muslimen, Berichte über innermuslimische Debatten und Beiträge von Gastautoren zu aktuellen Themen. mehr

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Freitagsforum | 06.11.2015 | 15:20 Uhr

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