Imamin in Deutschland - selbstverständlich oder undenkbar?
In Deutschland gibt es nur einige Imaminnen in den muslimischen Gemeinden - und die sind oft umstritten. Denn der Islam ist von Männern geprägt. Wie selbstverständlich sind Imaminnen heute?
Weibliche Imame: ja oder nein - das steht immer noch zur Debatte. Doch Frauen in wichtigen Positionen haben Tradition, betont Imam Benjamin Idriz. So soll eine Frau des Propheten Mohammed Gebete geleitet haben:
"Die Ehefrau des Propheten Mohammed war eine Geschäftsfrau, bevor der Prophet Mohammed überhaupt mit seiner Offenbarung in die Welt gekommen ist. Seine Frau war diejenige, die ihn finanziell und wirtschaftlich unterstützt hat. Die anderen Frauen des Propheten waren Gelehrte. Das heißt, dass wir zurück zu diesen Ursprüngen kommen müssen, indem wir fördern und immer wieder betonen, wie wichtig es ist, dass die Frauen in der Wirtschaft, in der Wissenschaft, in der Politik präsent sein müssen. Das ist die Rolle der Frau", betont Imam Idriz.
"Frauen müssen in der Gesellschaft aktiv werden"
Benjamin Idriz ist ein liberaler Imam. Er hat das Buch "Der Koran und die Frauen" geschrieben und leitet eine Gemeinde im oberbayerischen Penzberg. Noch immer würden sich die muslimischen Gemeinden schwertun, Frauen gleichberechtigt zu behandeln, beklagt Idriz: "Die Frauen müssen in der Gesellschaft aktiv werden, in Moscheegemeinden, im sozialen Leben, in der Politik, in der Wirtschaft - genauso wie in der Zeit des Propheten. Nicht nur Zuhause, sondern in der Gesellschaft. Sie sollten genau wie die Männer das Recht haben, zu arbeiten und für die Entwicklung der Welt ihren Beitrag zu leisten. Die Frauen müssen gleich behandelt werden", findet Idriz.
Der Imam ist der Vorbeter oder das geistliche Oberhaupt einer muslimischen Gemeinde, der Titel ist nicht geschützt. Jeder Mensch, der das Wissen hat und von einer Gemeinde akzeptiert wird, kann die Rolle des Imams übernehmen. Es kommt noch immer selten vor, dass heute eine Frau eine Moschee führt, bedauert Idriz: "Die Frage, ob eine Imamin heute in Deutschland auch eine Gemeinde leiten kann, hängt von vielen Faktoren ab. Wichtig ist, dass in der Gemeinde Harmonie und Akzeptanz herrschen. Wenn eine Gemeinde unbedingt eine Frau als Imamin haben will und wenn alle Mitglieder damit einverstanden sind, ist das theologisch meiner Meinung nach überhaupt kein Problem."
Großteil der Gläubigen lehnen weibliche Imame ab
Doch viele Männer tun sich schwer, hinter Frauen zu beten. Denn nach klassischer islamischer Theologie dürfen Frauen nur in reinen Frauengemeinschaften vorbeten. Das Gebet vor Männern ist ihnen verboten. Die aufgeführten Gründe der Gegner sind vielfältig: Frauen könnten aufgrund ihrer Menstruation nicht jene rituelle Reinheit garantieren, die für das Gebet erforderlich sei. Außerdem könnte sie als Vorbeterin die dahinter stehenden Männer ablenken. So werden weibliche Imame von einem Großteil der Gläubigen und Gelehrten abgelehnt.
Die Kritiker stützen sich auf bestimmte Traditionen oder Aussagen im Koran, erläutert die Islam-Theologin Esma Demir: "In den Offenbarungstexten, also im Koran oder in der Sunna, ist nichts zu finden. Im Gelehrtenkonsens jedoch ist ausdrücklich ein Verbot ausgesprochen worden. Es wurde nicht gestattet, dass eine muslimische Frau vor einer gemischten Gemeinde vorbeten soll", erläutert Demir.
Seyran Ates - Imamin unter Polizeischutz
Die Berliner Anwältin Seyran Ates gründete 2017 die erste liberale Moschee in Berlin und leitet dort selber Gebete als Imamin. Dafür gab es viel Zustimmung, aber auch viel Missfallen bis hin zu Morddrohungen. Heute lebt die Frauenrechtlerin unter Polizeischutz. Auch Esma Demir sieht es kritisch, dass sich manche Frauen als Imaminnen bezeichnen: "Wenn eine Frau sagt, ich bin Imamin, dann kann ich mir das nicht vorstellen, dass sie das aus religiösen Aspekten macht, sondern aus emanzipatorischen Aspekten. Aber das hat einfach keinen religiösen Halt."
Egal ob emanzipatorische oder religiöse Gründe: Die Diskussion über Imaminnen ist entfacht.