Gaza-Krieg: Wie kann man falschen Narrativen entgegenwirken?
Israelische Soldaten und die Hamas bekämpfen sich - jeder weist jedem die Schuld zu. Diese Schuldfrage ist auch Thema bei vielen Schülerinnen und Schülern in Deutschland, deren Eltern oder Vorfahren hierher migriert sind.
Es kursieren jede Menge Spekulationen und Theorien zum Nahostkonflikt, vor allem in den sozialen Netzwerken. Wie können junge Erwachsene da den Überblick behalten? Hilfe könnte der Schulunterricht bieten - wie an der Marie-Curie-Schule in Ronnenberg bei Hannover.
Nahostkonflikt: Es gibt keine einfachen Antworten
Die Schülerinnen und Schüler haben in den letzten Monaten viel von ihrem Religionslehrer Osman Kösen gelernt. Zum Beispiel, dass es keine einfachen Antworten auf den Nahostkonflikt gibt, sagt die 16-jährige Sena: "Wir wollen nicht, dass irgendjemand sagt: Ich bin auf jeden Fall dafür, was die machen, weil das alles richtig ist. Wir versuchen nur zu zeigen, dass es Frieden geben kann, wenn man es möchte."
Aber Schwarz-Weiß-Denken ist gar nicht so einfach zu bemerken, weiß der 15-jährige Abdul. Seine Familie ist aus Pakistan und diskutiert zu Hause über den Krieg zwischen der Hamas und Israel: "Die Männer aus meiner Familie sind alle gegen den israelischen Staat. Die sagen aber nicht: Wir sind gegen Juden. Und von der Seite meiner Mutter interessieren sie sich eher weniger dafür, weil es eher Baba und Onkel sind, die die Nachrichten laut gucken."
Gefährliche Verschwörungsmythen auf Social Media
Viele seiner Schüler beziehen ihre Informationen über TikTok, so der islamische Religionslehrer Kösen, darunter auch Verschwörungsmythen. Diese Narrative habe er mit der Klasse zusammengetragen: "Wir wollten mal gucken, ob das so ist, ob alle Jüdinnen und Juden extrem reich sind - was einfach falsch ist. Wir haben auch geguckt, wie das in der Historie war. Und die Schülerinnen und Schüler haben schnell erkannt - und darauf bin ich sehr stolz -, dass das Narrative sind, die sehr gefährlich sind. Und das kann zu Gewalt führen."
Auch der Islamwissenschaftler Michael Kiefer von der Universität Osnabrück kennt diese falschen Informationen über Social Media-Kanäle: "Ich erlebe das mit Studierenden, ich erlebe das bei Veranstaltungen, dass man tatsächlich ins Gespräch kommen kann, die Geschichte dann auch anders erzählen kann. Denn die meisten Schülerinnen und Schüler, die meisten Studierenden kennen die Geschichte Israels gar nichts, sondern kennen allenfalls eine Momentaufnahme der Kriege. Da kann man schon etwas machen, aber es ist sehr mühselig."
"Wir müssen alle mal ein bisschen lockerer werden"
Kiefer hofft, dass noch mehr Lehrerinnen und Lehrer den Krieg in Nahost thematisieren. Das passiere aktuell noch nicht so häufig, so Osman Kösen: "Wenn eine Kollegin oder ein Kollege sagt: 'Das, was da in Palästina abgeht, geht überhaupt nicht' - könnten viele Menschen diese Aussage als antisemitisches Gedankengut präsentieren, was völliger Blödsinn ist. Ich glaube, dass uns das sehr einschränkt in unsere Meinungsfreiheit, in unserer Arbeit allgemein. Wir müssen einfach alle mal ein bisschen lockerer werden, ein bisschen runterkommen." Denn, wenn das Thema "Nahostkonflikt" erstmal auf dem Tisch sei, dann hätten falsche Narrative keine Chance mehr.