Chormusik
Sonntag, 12. Mai 2024, 17:00 bis
18:00 Uhr
"Das sind quasi schon kleine Opern, in Vorbereitung!" schwärmt Justin Doyle über Händels frühe Psalmvertonungen. Das "Dixit Dominus" und das "Nisi Dominus" - die "kleine Schwester des Dixit" wie Doyle es nennt - hat Händel in Rom komponiert. Sie gehören zu den frühesten von ihm überlieferten Werken. Händel hatte in seiner Heimatstadt Halle im Dienst der Kirche erstmals sein Geld verdient, kam dann als Geiger nach Hamburg, wo er im Opernorchester spielte und auch seine ersten Opern schrieb. 1707 ging er für drei Jahre nach Italien und sog den italienischen Stil in sich auf.
Mehrchörigkeit und Polyphonie
"Musikgeschichte bleibt nie stehen", sagt Justin Doyle. "Es gibt keine Tradition, die sich nicht weiterentwickelt. In Italien gibt es z.B. bestimmte Charaktere: In Venedig Monteverdi, Grandi, Willaert, Gabrieli - und das hat sich bei Marcello und Vivaldi natürlich weiterentwickelt. Aber in Rom gab es diesen konservativen Stil, mit Palestrina und viel A-cappella-Musik. Ich bin überzeugt, dass Händel da viel Polyphonie und Kontrapunkt studiert hat. Sein Fugato-Writing hat Mozart später kopiert und als Vorlage, als Beispiele benutzt! Also diese Kontrapunkt-Disziplin hat Händel dort gelernt oder zumindest entwickelt. Und das hört man in den Stücken und in allem, was er später geschrieben hat."
Bei sich selbst "geklaut"
Vieles, von dem, was Händel in jungen Jahren komponierte, taucht in seinen späteren Werken wieder auf. "Das zeigt, dass er auch irgendeinen Wert über bestimmte Themen und Sätze hatte, und er hat seine eigene Musik eigentlich beurteilt", glaubt Justin Doyle. Passagen des "Nisi Dominus" erkennt er in Händels "Coronation Anthems" wieder: "'Zadok the Priest', das wir alle von der Champions League und aus Filmen kennen - Der 1. Satz von 'Zadok the Priest' ist so berühmt, aber das hat irgendwie schon seine Wurzeln im 'Nisi Dominus'." Viele Kontraste und Theatralik prägen Händels Werke, auch schon diese frühen, in Italien entstandenen und sängerisch anspruchsvollen Psalmvertonungen - neu aufgenommen von der Akademie für Alte Musik Berlin und vom RIAS Kammerchor, der in diesem Jahr sein 75-jähriges Bestehen feiert.
Eine Sendung von Chantal Nastasi.