Chormusik erweckt Traumgestalten der Romantik zum Leben
Die Romantik hat unzählige Traumbilder in Texten und in der Musik hervorgebracht. Auf ihrem neuen Album stellt das Ensemble Quartonal diese Traumgestalten in den Mittelpunkt.
Wie wichtig das Träumen für den Kopf, für die Inspiration, für das geistige Wachsen und auch für das Verdauen ist, da sind sich Experten und Laien einig. Diejenigen, die das Träumen und die Flucht aus der Wirklichkeit idealisierten, die Romantiker, sahen sich als Gegenmodell zur "reinen Vernunft" der Aufklärung.
"Wir haben relativ schnell gemerkt, dass in vielen Stücken der Romantik Traumgestalten vorkommen: Hexen, Zwerge, Könige, Ritter. Aber auch im übertragenen Sinne, wie Wetterphänomene, wie in Horrorfilmen, Albträume, Nebel, Regenwetter", schildert Sönke Tams Freier, der Bass von Quartonal. So wurden die "Traumgestalten" zum zentralen Thema ihres Albums. In "Vollmondzauber" von Joseph Gabriel Rheinberger spielt das Mondlicht in Silberfluten und bringt viele Phantasiegestalten im Wasser hervor. Joseph Rheinberger hat die Vorlage von Fritz Rohrer verarbeitet, einem Schweizer Arzt und Lieddichter.
Heinrich Heines "Loreley" in einer Vertonung von Mathieu Neumann
Wir alle haben sicherlich schon einmal selbst die Erfahrung gemacht, welch eigentümliche Gestalten uns das Gehirn vorgaukeln kann und welch absurde Szenarien es manchmal im Traum erfindet. Auf dem "Traumgestalten"-Album findet sich auch Heinrich Heines "Loreley", die sagenumwobene Frau, die auf einem Felsen am Rhein ihr goldenes Haar bürstet und Schiffe zum Kentern bringt. Das Ensemble Quartonal singt auf seinem Album eine selten gehörte Vertonung von Mathieu Neumann.
"Nebeltag" von Friedrich Hegar regt die Fantasie an
Zu den Naturphänomenen, die die Fantasie anregen, zählen die Sinnestäuschungen, die Nebel mit sich bringen kann. Eine ganz intime Atmosphäre und auch ein bisschen Hoffnung versprüht der "Nebeltag" von Friedrich Hegar. Die Musiklandschaft in der Schweiz, vor allem in Zürich hat Hegar maßgeblich geprägt, er war Chorleiter, hat das Zürcher Konservatorium gegründet und als Korrepetitor und Dirigent am dortigen Theater gearbeitet.
Quartonal: Ursprünge in einem Knabenchor aus Uetersen
Quartonal, das sind die Tenöre Mirko Ludwig und Jo Holzwarth, der Bariton Christoph Behm sowie der Bass Sönke Tams Freier. Die vier Gründungsmitglieder kannten sich aus dem Knabenchor Uetersen, zwei der Sänger sind erst seit einigen Jahren Teil des Ensembles, bringen aber ebenfalls viel Chorerfahrung mit. "Es ist so, dass wir vier Sänger sind und jeder hat so seine Aufgaben", sagt der Bass des Ensembles Sönke Tams Freier. "Unser Erster Tenor, Mirko Ludwig, ist vor allem für die Programmauswahl zuständig. Er geht in Bibliotheken, stöbert das Internet durch und bringt dann passende Stücke mit zu den Proben."
Eine Entdeckung: Das Volkslied "Ein Jäger längs dem Weiher ging" - auch bekannt als "Jäger lauf". Alwin Schronen hat es für den Männerchor bearbeitet. In der Version, die das Ensemble Quartonal singt, wird daraus mit Gesang, Sprechgesang und vielen Tempowechseln ein fast szenisches Stück. Rhythmisch und intonatorisch aufeinander abgestimmt harmonieren die vier Herren perfekt.
Der sagenumwobene "König von Thule"
Viele der Komponisten, die das Ensemble Quartonal für "Traumgestalten" ausgewählt hat, waren selbst als Chorleiter aktiv und schrieben eben für jene Männerchöre, von denen seit Mitte des 19. Jahrhunderts unzählige entstanden. Wie auch Wenzel Heinrich Veit aus dem böhmischen Litoměřice. Veit war in jungen Jahren Musikdirektor des Aachener Stadtorchesters, arbeitete dann als Jurist und war nebenbei Leiter einer Organisten- und Gesangsschule.
Das Ensemble Quartonal singt auf seinem neuen Album Veits Vertonung von Goethes Gedicht "Der König in Thule". Das Gedicht spielt in dem sagenumwobenen Thule, nach antiker Vorstellung die nördlichste Insel. Es handelt von der Liebe und Treue eines Königs zu seiner vor ihm verstorbenen geliebten Partnerin.
Eduard Mörikes "Feuerreiter"
Die Fantasie- und Naturbilder der Romantik werden oft als Synonyme verwendet für die Gefühle und Gedanken im Inneren. Sie leben auch von den Fantasiegestalten, von denen man glaubte, sie seien Teil der Natur. Geister, Fabelwesen und auch solch unheimliche Gestalten wie der Feuerreiter, der Hab und Gut niederbrannte. Dieses unheimliche, angsteinflößende Wesen, das am Ende den Tod in einer Mühle findet, hat Eduard Mörike in seinem Gedicht "Der Feuerreiter" beschrieben. Hugo Wolf hat den Text als Klavierlied und für Chor gesetzt, auch Hugo Distler hat das Gedicht vertont. Das Ensemble Quartonal singt auf seinem Album eine weniger bekannten Version von Mathieu Neumann.
Noch mehr Musik und Hintergründe zum Album "Traumgestalten" können Sie in der Sendung Chormusik bei NDR Kultur hören. Das Ensemble Quartonal gibt im Juni zahlreiche Konzerte im Norden: Etwa am 7. Juni auf Norderney, am 8. Juni in OIdendorf, am 9. Juni in St. Peter Ording und am 20. Juni in Pinneberg.