Stand: 29.05.2019 10:29 Uhr

Die Schnitger-Orgel in der Ludgerikirche Norden

Arp Schnitger war der bedeutendste Orgelbauer der Barockzeit in Nordeuropa. Er starb vor 300 Jahren und hinterließ einen großen Bestand an originalen Instrumenten. Die nachhaltige Bauweise und der faszinierende Klang seiner Instrumente wurden zum Vorbild für die Orgelästhetik im 20. Jahrhundert. Kein anderer Orgelbauer der Vergangenheit hat einen so großen Einfluss ausgeübt wie er.

Die von Schnitger erreichte Synthese von Klangvielfalt, Transparenz und Klangvolumen wird in der Norder Ludgerikirche besonders deutlich.

Die größte mittelalterliche Kirche Ostfrieslands

Mit 6,6 Hektar gehört der Norder Marktplatz zu den größten Marktplätzen Deutschlands. Er wird überragt vom Dach der größten mittelalterlichen Kirche Ostfrieslands, die den grandiosen akustischen Rahmen abgibt für ein Musikinstrument von kaum zu überschätzender Bedeutung. Denn es ist nicht nur das zweitgrößte in den Zustand der Erbauungszeit zurückversetzte Werk Arp Schnitgers, sondern verdient allein schon durch den ungewöhnlichen Aufstellungsort Beachtung: Die Orgel steht am Übergang zwischen Querschiff und Chor, von wo aus sie alle Raumteile beschallt. Auf diese Weise finden sich hier beide Aufgaben einer Orgel in einem Werk vereinigt, die in den großen hanseatischen Stadtkirchen ansonsten zwei Instrumente erforderten: der Gemeindegesang (im Haupt- und Querschiff) und die Abendmahlsmusik "sub communione" im Chor.

Ein raumakustisches Wunder

Arp Schnitger - Ein Stradivari der Orgel

Der ursprüngliche, im Kontrakt von 1686 festgehaltene Plan zielte auf ein wesentlich kleineres Instrument mit zwölf Stimmen im Hauptwerk, zehn im Rückpositiv und sieben Registern im Pedal ab. In der Folge wuchsen sich diese Pläne unter reger Anteilnahme der Gemeinde auf 46 klingende Stimmen aus, wobei man für das Ober- und das Brustwerk eine gemeinsame Klaviatur vorsah. Eine so große Orgel in diesem Kirchenraum unterzubringen, erwies sich als besonders heikles Problem. Die Orgel sollte nämlich auf einer Empore an der rechten Seite des Chores aufgestellt werden, weshalb Schnitger das Pedal nicht in zwei Türmen anordnen konnte, was der Schnitger-Forscher Gustav Fock damit begründet hat, dass die Töne des östlichen Pedalturmes im Kirchenschiff nur undeutlich und die des westlichen Turmes zu stark hörbar gewesen wären. Schnitger habe daher auf die alte norddeutsche Anordnung zurückgegriffen, bei der Orgeln an einer Seitenwand des Chores nur einen Pedalturm erhielten. Bei der von Schnitger gewählten Anordnung, bei welcher Hauptwerk und Rückpositiv schräg in das Hauptschiff der Kirche sprechen, sei der Gesamtklang der Orgel nicht auseinandergefallen und das Pedal auf allen Plätzen der Gemeinde gleich gut hörbar gewesen.

Die Synthese von Klangvielfalt, Transparenz und Klangvolumen

Aus einer raumakustischen Not hat Schnitger in Norden also eine Tugend gemacht: Die mehrchörig angelegte norddeutsche Orgelmusik kann hier aus unterschiedlichen Räumen der Kirche heraus besonders eindrucksvoll miterlebt werden. Auch die von Schnitger immer angestrebte Synthese von Klangvielfalt, Transparenz und Klangvolumen wird in Norden besonders sinnfällig. Überdies lässt uns die große Akustik des Kirchenraums noch heute die grandiose Wirkung des norddeutschen Orgelrepertoires nachvollziehen, wie sie einst in den großen hanseatischen Stadtkirchen zu erleben war und Musiker wie Johann Sebastian Bach begeistert hat.

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | | 31.03.2019 | 18:00 Uhr

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