Der Fall Alfons Jaffé: Ein Gemälde kehrt zurück
Christopher Galler leistet Detektivarbeit. Allerdings nicht bei der Polizei, sondern im Auftrag einer Kunstsammlung. Als Provenienzforscher sucht er in den Beständen des Bomann-Museums in Celle nach Diebesgut. Erst kürzlich stieß er auf ein Gemälde, das die Nationalsozialisten dem Berliner Kunstsammler Alfons Jaffé gestohlen hatten. 78 Jahre nach dem Raub kehrte das Bild, eine barocke "Waldlandschaft", nun zu seinen rechtmäßigen Besitzern zurück.
Christopher Galler hat einen Akkuschrauber dabei, um die Transportkiste mit dem Barockgemälde zu öffnen. Die Übergabe an die Familie, der das Bild von den Nationalsozialisten gestohlen wurde, findet in einem viktorianischen Stadthaus in London statt. Hier hat die "Commission for Looted Art" ihren Sitz. Eine Organisation, die weltweit geraubte Kunst ausfindig macht und den Opfern hilft, ihre Ansprüche auf Rückgabe durchzusetzen.
Nazis raubten Kunst aus den besetzen Gebieten
Vorsichtig hebt Christopher Galler die "Waldlandschaft" aus der Kiste. Die Urenkel von Alfons Jaffé, Lucilla und Paul, sind mit ihrer Mutter Patricia angereist, um das Bild entgegenzunehmen. Jaffé war ein jüdischer Kunstsammler, der 1939 nach England emigrierte. Unter großem finanziellen Aufwand hatte der Berliner seine Sammlung zuvor in den Niederlanden in Sicherheit gebracht. Leider vergebens. Dort fielen die Werke der "Dienststelle Mühlmann" in die Hände. Diese nationalsozialistische Rauborganisation, spürte Kunstobjekte in den besetzten Gebieten auf und machte sie zu Geld. Aber wie gelangte das Bild von dort ins Bomann-Museum in Celle?
Der lange Weg eines Gemäldes
"Unser Direktor hat über alle Ankäufe, die seit 1939 stattgefunden haben, eine Liste angefertigt", erzählt Christopher Galler. Er untersucht die Museumsbestände auf Raubkunst und wurde im eigenen Archiv fünfig. Auf der Liste des damaligen Direktors entdeckte Galler, dass der Museumschef die "Waldlandschaft" beim Berliner Auktionshaus Lange gekauft hatte. Dieser Versteigerer war für seinen Handel mit Raubkunst berüchtigt. In detektivischer Feinarbeit enthüllte der Historiker auch, wer das Werk dort eingeliefert hatte: Der Hitler-Fotograf Heinrich Hoffmann. "Hoffmann war einer der Profiteure des Naziregimes", erklärt Galler. "Er hat sicherlich ein Millionenvermögen mit den Fotografien Adolf Hitlers verdient, die natürlich gerade nach 1933 sehr gefragt waren." Hoffmann machte auch mit Jaffés Gemälde ein gutes Geschäft. Er selbst hatte nur lächerliche 400 Reichsmark für das geraubte Werk gezahlt. Beim Auktionshaus Lange verkaufte er das Bild für das Fünfzehnfache.
Gemischte Gefühle bei der Familie
In London nehmen die Nachkommen von Alfons Jaffé das Gemälde mit gemischten Gefühlen in Empfang. Bei aller Freude über die Rückgabe fragen Urenkel Paul und seine Mutter Patricia auch: Warum erst jetzt? "Mein Vater starb genau vor einem Jahr. Er war der Letzte, der das Gemälde noch in Berlin im Besitz unserer Familie erlebt hat. Wir sind an einem Punkt, an dem die Menschen, die sich erinnern, wegsterben. Meinem Vater hätte es viel bedeutet, zu erleben, wie das Bild in die Familie zurückkehrt", erzählt Paul. "Dafür ist es zu spät," ergänzt Patricia.