Nachlass von Jean Leppien: Ein außergewöhnliches Künstler-Leben
Jean Leppien gehört zu den bedeutendsten abstrakten Künstlern der Nachkriegszeit. Geboren wurde der Maler 1910 in Lüneburg. 1933 emigrierte er nach Frankreich und wurde französischer Staatsbürger. Das Archiv Lüneburg hat jetzt seinen Nachlass aufgearbeitet.
Die Mappen und Umzugskartons im Lüneburger Archiv füllen mehrere Regalmeter. Danny Kolbe, der kommissarische Leiter des Lüneburger Stadtarchivs, erinnert sich noch gut, wie Jean Leppiens Nachlass nach Lüneburg kam: "Wir sind mit einem riesigen Transporter runter ans Mittelmeer gefahren und mit einem vollen Transporter zurückgekehrt: 50 Mappen und 100 Umzugskartons voll mit Unterlagen zu seinem Leben."
Bekannt mit Bauhaus-Künstlern, verfolgt von den Nazis
Es sind Dokumente, die von dem außergewöhnlichen Leben Leppiens zeugen: seiner Geburt in Lüneburg im Jahr 1910, seinen Kontakten zum Bauhaus. Der Künstler lernte bei Josef Albers, Paul Klee und Wassily Kandinsky. Diese Begegnungen haben sein Leben geprägt, ebenso wie seine Erfahrungen im Dritten Reich. 1933 emigrierte er nach Frankreich. Seine jüdische Frau wurde an die Gestapo verraten und ins Konzentrationslager Auschwitz deportiert. Leppien selbst wurde zu mehreren Jahren Gefängnis verurteilt. Beide überlebten.
Das Paar blieb in Frankreich. Leppien wurde ein bedeutender Maler. Hier entstanden mit Stift und Pinsel die abstrakten Bilder mit geometrischen Formen, mit Linien, Kreuzen, Kreisen und Farbflächen.
Archivar: "Als würde man ihm auf der Straße begegnen"
Jetzt hat Archivar Kolbe mit seinen Mitarbeitern alle Kisten des Nachlasses ausgepackt, die Dokumente sortiert und katalogisiert. Eine wahre Schatzsuche, so Kolbe: "Man lernt einen Menschen kennen, so als würde man ihm auf der Straße begegnen. In den Briefen wird über Gefühle gesprochen. Auch Fotos oder Geschenke in dem Nachlass tragen dazu bei, den Menschen kennenzulernen."
Neben Briefen an die Familie und befreundete Künstler finden sich in den Dokumenten auch persönliche Andenken, Fotos, Zeitungsartikel über Leppiens Ausstellungen und vieles mehr, zum Beispiel ein kleines Zigarrenkistchen. "Hier steht auf Französisch: 'Einige alte Fotos von 1910 bis 1950'", erklärt der Archivar und zeigt verschiedene Bilder. "Das sind seine Brüder: Hans, Rudolf und Gottfried. Und das ist er: ‘Jean Leppien, 1910’. Er hat das Foto selbst beschriftet und es muss hier in Lüneburg aufgenommen worden sein."
Jean Leppien: "Freiheit fällt nicht vom Himmel"
Eines freut Kolbe besonders: Die Tonaufnahmen einer Rede von Jean Leppien, gehalten im Jahre 1988 in Lüneburg zur Eröffnung einer Ausstellung. Dort hört man den Künstler sagen: "Freiheit ist ein undefinierbarer Begriff. Ich möchte kurz sagen, was ich darunter verstehe: Freiheit fällt nicht vom Himmel."
Es ist der Stoff für Doktorarbeiten, Forschungsarbeiten oder vielleicht auch für einen Film über den bedeutenden Künstler. Der Nachlass wartet nun wohlsortiert im Lüneburger Archiv. Der Archivar hofft, dass sich nun viele Historiker dafür interessieren: "Historikerinnen und Historiker, die sich mit dem Leben von Jean Leppien beschäftigen wollen, haben hier eine Menge Möglichkeiten, Fragen beantworten zu können. Das Material bietet einen Blick auf die Gesellschaft zur damaligen Zeit, das Künstlerleben. Es lässt einen in die Menschen hineinschauen, etwa durch die Briefe."
Museum Lüneburg: Großes Interesse am Material
Heike Düselder, Leiterin des Museums Lüneburg, hat auf jeden Fall großes Interesse an dem Nachlass: "Ich kann mir gut vorstellen, dass wir einzelne Briefe oder andere Dokumente in unserem Museum ausstellen würden. Der Nachlass hat einen Lüneburg-Bezug, Leppien ist hier aufgewachsen. Von daher ist alles, was mit diesem bedeutendsten Maler aus Lüneburg zusammenhängt, für uns von Bedeutung."