Katrin Lazaruk: Politische Kunst aus Kassetten- und Videoband
Die Osnabrückerin Katrin Lazaruk verwandelt alte Kassetten in politische Statements. Oft sind ihre Motive Frauen im Kontext aktueller Themen. Ihre Werke finden sich an Wänden, Litfaßsäulen und in Schaufenstern Osnabrücks.
An der Wand im Atelier von Katrin Lazaruk direkt am Osnabrücker Hasefriedhof hängen eineinhalb Bilder von zwei Frauen, die sich umarmen. "Festhalten" heißt das Werk, das aus Kassettenband entstanden ist - die Ausdrucksform, für die sich Katrin Lazaruk entschieden hat. Die Osnabrücker kennen das Motiv aus dem vergangenen Jahr. Zum 375. Jahrestag des Westfälischen Friedens zierten die beiden Frauen ein großes Banner am Rathaus und sehr viele Litfaßsäulen. Das Motiv hat sie zu diesem Jubiläum angefertigt. Im Oberkörper der schwarz-weißen Frau sind bei genauerer Betrachtung die Umrisse des Osnabrücker Rathauses zu erkennen.
"Die Menschen hier wollen gerne meine Kunst bei sich hängen haben, weil sie aus Osnabrück kommt - oder sie verschenken sie an andere, die früher hier gelebt haben", sagt Katrin Lazaruk. Das Bild "Festhalten" hat sie genau 37,5 Mal nachgedruckt, in Erinnerung an seine Entstehung zum Friedensjubiläum. Nummer eins und das nur halb gedruckte Bild Nummer 37,5 hat die Künstlerin behalten. Die anderen seien innerhalb von drei Tage verkauft gewesen, erzählt sie.
Fokus auf Nachhaltigkeit und Recycling
Die in Belarus geborene Künstlerin ist in der Stadt verwurzelt. Ihr Onlineshop trägt den Namen "madeinosnabrueck". Dennoch ist ihre Kunst alles andere als lokalpatriotisch. Das gesellschaftspolitische Thema, mit dem sie sich vordergründig beschäftigt, ist Feminismus. Aus Kassettenband für Innenräume und aus Videokassettenband für draußen, denn es sei robuster, entstehen Bilder von Frauen, in all ihrer Diversität. Aktuell hängt im Schaufenster in der Innenstadt ein Bild, das weiblichen Protest weltweit vereint, darstellt. "Durch das Material wirkt es, als würden die Menschen und der Protest verschmelzen und sie gemeinsam für den Feminismus kämpfen", so Katrin Lazaruk.
Manchmal ist die Kassette, aus der das Band stammt, Teil des Bildes, dann spielt der ursprüngliche Inhalt eine Rolle. "Aber ich finde es auch witzig, wenn auf der Kassette Schlager waren und das Motiv am Ende etwas Gegensätzliches darstellt", so Katrin Lazaruk. Es geht ihr bei der Wahl ihres Materials jedoch vor allem um den Nachhaltigkeitsgedanken und das Recyceln von einem nur noch selten genutzten Gegenstand wie Kassetten.
Diskussion um weibliche Brust
Auf dem Tisch, an dem das Gespräch heute stattfindet, liegen mittlerweile weibliche Brustwarzen aus Ton - in verschiedenen Formen und Farben.
Ein ungewöhnliches Material für die 36-Jährige. "In den sozialen Medien ist der weibliche Nippel verboten, eine männliche Brust dagegen wird als alltäglich und öffentlich dargestellt", erklärt Katrin Lazaruk. Sie plant als Installation einen zwar begehbaren, aber kleinen Raum voller Nippel, in dem der Eintretende von den Brustwarzen von allen Seiten bedrängt wird. "Kunst muss nicht immer gefallen. Wenn Kunst dich aufregt, anwidert oder ärgert ist das auch gut. Sie muss Emotionen auslösen, welche ist eigentlich fast egal."
Migrationsgeschichte als Motiv
Ein weiteres Thema, das sich in ihren Werken widerspiegelt, ist ihre Migrationsgeschichte. Mit zehn Jahren kam sie gemeinsam mit ihrer Mutter aus Belarus nach Deutschland. Zu den Demonstrationen im Jahr 2020 in Belarus gegen Machthaber Aljaksandr Lukaschenka entstand ein Wandgemälde, das im öffentlichen Raum in der Stadt hängt und den Freiheitskampf zeigt.
Auch wenn sie keinen "sichtbaren Migrationshintergrund" hat, wie sie selbst sagt, merkt sie bis heute Hürden, die sich aus ihrer Geschichte ergeben haben. "Ich werde für Ausschreibungen nicht berücksichtigt, weil ich kein Kunststudium habe." Abitur und Studium blieben Katrin Lazaruk verwehrt. Als sie 16 Jahre alt war, starb ihre Mutter und sie kam in die Obhut des Jugendamtes. Mit 18 Jahren endete die Jugendhilfe. Staatliche Hilfen, wie Bafög, konnte sie nicht annehmen, da sie die deutsche Staatsangehörigkeit nicht bekommen hätte, für die sie sich selbst finanzieren können musste. "Heute bin ich zu alt für ein Studium", beendet sie den kurzen Abriss ihrer Lebensgeschichte.
Auch ohne Studium kann die Osnabrückerin auf Aufstellungen in München, Hamburg und in ihrer Wahlheimat zurückschauen. Aber woher bekommt sie eigentlich die vielen Kassetten? Das seien Spenden - aber sie nehme keine mehr an. Ihr Lager sei voll. Viel Material also für zukünftige Projekte.