"The Holdovers": Schönster Lehrer-Film seit "Club der toten Dichter"
Ein zynischer Geschichtslehrer soll über die Weihnachtsferien eine Handvoll Internatsschüler beaufsichtigen. "The Holdovers" war fünfmal für Oscars nominiert - unter anderem als bester Film.
Ob man ein Schulfach gut in Erinnerung behält, hängt oft mit der Lehrperson zusammen, die es unterrichtet. Die schwierigste Mathe-Aufgabe kann ihren Schrecken verlieren, wenn einer sie gut erklären kann. Aber auch umgekehrt: Geschichts- oder Lateinstunden können sich endlos hinziehen, wenn ein dröger Pauker vorne an der Tafel steht. Vom Verhältnis zwischen Lehrenden und Lernenden erzählen immer wieder Filme. Und jetzt ein besonders schöner: "The Holdovers" mit Paul Giamatti.
Paul Giamatti als verhasster Lehrer
"Oh Captain, mein Captain." - in "Club der toten Dichter" nutzt Robin Williams als Englisch-Lehrer Ende der 1950er-Jahre das Walt-Whitman-Zitat, um eine enge Bindung zu seinen Internats-Schülern aufzubauen. An diesen Film denkt man sofort, wenn man sich "The Holdovers" anschaut. Auch hier ist der Schauplatz ein amerikanisches Jungeninternat, auch hier geht es um eine besondere Lehrer-Schüler-Beziehung - nun zu Beginn der 1970er-Jahre, und Giamatti ist als zynischer Geschichtslehrer Mr. Hunham zunächst eine echte Hassfigur.
"The Holdovers" sieht aus wie ein 1970er-Jahre-Film
Von der ersten Filmminute an taucht man hier ein in die vergangene Ära, die Regisseur Alexander Payne wie von Zauberhand wiederbelebt. Sein Trick ist die Beschaffenheit der Bilder, die die Optik von 1970er-Jahre-Filmen imitieren. Die halbwüchsigen Jungs, die in Sakkos und Krawatten über die Flure der Barton Academy schlurfen, sind Zöglinge reicher Schnösel, die sich das Elite-Internat in Neuengland leisten können. Mr. Hunham kann sie nicht ausstehen. Aber ausgerechnet er, der selbst wie ein Einsiedler in einer Schulwohnung haust, soll über die Weihnachtsferien eine Handvoll "Holdovers" beaufsichtigen - Schüler, die im Internat bleiben müssen, weil sie zu Hause keiner gebrauchen kann. Eine Lose-lose-Situation.
Oscar für Da’vine Joy Randolph
Zu Schulköchin Mary (Da’vine Joy Randolph), einer kernigen Afroamerikanerin, hat Mr. Hunham durchaus eine Verbindung. Und plötzlich bekommt auch sein sarkastischer Witz etwas Liebenswertes. Denn mit Mary, die ihren einzigen Sohn im Vietnamkrieg verloren hat, spricht er ganz und gar nicht von oben herab. Da’vine Joy Randolph erhielt für ihre grandiose Darstellung der Mary den Oscar als beste Nebendarstellerin - die einzige Auszeichnung, die der fünffach nominierte Film gewann.
Lehrer und Schüler kommen sich näher
Als von fünf Schülern vier doch noch abgeholt werden und allein der aufsässige, aber begabte Angus übrigbleibt, zeigt Mr. Hunham auch ihm gegenüber Herz. Die Zwei gehen zum Bowling, ins Kino und - mit Mary zusammen - essen.
Durch ihre Zwangsgemeinschaft lernen Lehrer und Schüler nach und nach ganz neue Seiten aneinander kennen. Und sie bewegen sich in diesem wunderschönen Film nicht übertrieben, sondern im genau richtigen Maß aufeinander zu.
"The Holdovers": Melancholisch, aber auch sehr lustig
"The Holdovers" erzählt rührend von der Zuneigung, die zwei Außenseiter füreinander entwickeln - aber auch bitter von einem Land, in dem die wichtigen Posten unter den Kindern der Privilegierten verteilt werden. Der Ton ist grundsätzlich melancholisch, dabei aber auch sehr lustig. Der schönste Lehrer-Schüler-Film seit "Der Club der toten Dichter"!
The Holdovers
- Genre:
- Komödie | Drama
- Produktionsjahr:
- 2023
- Produktionsland:
- USA
- Zusatzinfo:
- Mit Paul Giamatti, Da’vine Joy Randolph, Dominic Sessa u.a.
- Regie:
- Alexander Payne
- Länge:
- 133 Minuten
- FSK:
- ab 12 Jahre
- Kinostart:
- 25. Januar 2024