Dokumentation "13 Steps": Viel mehr als die übliche Sportler-Vita
Die Karriere von Edwin Moses, dem zweifachen Olympia-Sieger über 400 Meter Hürden, ist unglaublich spannend. Regisseur Michael Wech hat einen Dokumentarfilm gedreht, der 105 Minuten lang fesselt.
Seit ein paar Jahren hat sich im Dokumentarfilm die Sportler-Vita als eigenes Genre etabliert. Vom Basketball-Star Nowitzki über die Formel 1-Helden Senna und Schumacher bis zu den Fußball-Göttern Schweinsteiger, Kroos und Maradona - zur echten Sportlegende gehört inzwischen das Filmdenkmal. Und nun wird diese Ehre dem amerikanischen Hürdenläufer Edwin Moses zuteil.
Keine typische Underdog-Geschichte
Ein Afroamerikaner, geboren 1955 in Zeiten strikter Rassentrennung in den USA: Wer da nun die typische Underdog-Geschichte erwartet - Sport als Weg aus der Perspektivlosigkeit -, wird gleich ein erstes Mal verblüfft. Denn Edwin Moses stammt aus einem echten Bildungsbürger-Haushalt. Als Kind begeistert er sich nicht für Sport, sondern für Naturwissenschaften - wie sein Vater.
Die erste Hürde, die Klein-Edwin nimmt, ist die Hecke, die sein Vater ums Familien-Grundstück gepflanzt hat. Sogar eine Videokamera ist damals schon im Einsatz, sodass Kindheitsbilder der drei Moses-Brüder im Film zu bestaunen sind. Edwin ist dabei der schmächtigste, Typ "Brillenschlange".
Edwin Moses' Rechnung geht auf
Wie kann so einer es zum Spitzenathleten schaffen und vier Weltrekorde aufstellen? Pure Berechnung! Denn Moses ist ein Zahlen-Crack. Während seines Physik-Studiums bringt er zusammen mit Kommilitonen den perfekten Laufweg für die 400 Meter Hürden auf eine Formel! Das ist nun wirklich unglaublich.
Edwin Moses: "Wir kennen den Radius, also haben wir berechnet: Wenn Du die Kurve an der Außenlinie läufst, läufst Du 1,8 bis 2,5 Meter weiter. Insgesamt legst Du also 3,5 bis 6 Meter mehr zurück. Für uns war damit ganz klar, dass man die Hürden mit dem linken Bein überlaufen muss, um nah an der Linie zu bleiben. Dazu muss man eine ungerade Anzahl von Schritten laufen. In meinem Fall waren das 13." Filmzitat
So erklärt sich dann auch der Filmtitel, "13 Steps". Moses' Rechnung geht auf: Neun Jahre, neun Monate und neun Tage lang gewinnt er jedes einzelne Rennen, holt 1976 und 1984 zwei olympische Goldmedaillen. Eine dritte bleibt ihm durch den Olympia-Boykott 1980 gegen Moskau versagt - was zeigt, wie sehr auch ein Sportlerleben vom politischen Zeitgeschehen beeinflusst ist. Als die 200-Meter-Läufer Tommie Smith und John Carlos 1968 auf dem Siegertreppchen bei Olympia die rechte Faust zum Himmel heben - das Symbol der "Black Power"-Bewegung -, provozieren sie damit den Rausschmiss aus dem Olympischen Dorf, inspirieren aber eine ganze Generation junger Afroamerikaner, zu der Edwin und sein Bruder Irving Moses gehören.
Fesselnde Doku über einen extrem reflektierten Menschen
"13 Steps - Die unglaubliche Karriere von Edwin Moses" ist so viel mehr als die übliche, glorifizierende Sportler-Vita. Weil der politische Kontext so spannend ist; weil Regisseur Spike Lee und Schauspieler Samuel L. Jackson als Zeitzeugen Kluges zu ergänzen haben; und weil hier ein extrem reflektierter Mensch sein Leben und seine Entscheidungen Revue passieren lässt. Falsche Bescheidenheit ist seine Sache nicht. Edwin Moses weiß schon, was er geleistet hat. Aber er betrachtet alles mit wissenschaftlicher Nüchternheit und ironischer Distanz.
Eine der vielen Überraschungen, die der Film bereithält, ist ein Sohn, der perfekt Deutsch spricht, weil seine Mutter Berlinerin ist.
Julian Moses: "Ich glaub' schon, dass mein Vater eine ganz besondere Fähigkeit hat und dass alles irgendwie so ein bisschen witzig ist. Dass er sich über alle ein bisschen lustig machen kann. Über sich selber zuerst auf jeden Fall." Filmzitat
Nie würde Edwin Moses behaupten, dass es Spaß gemacht hat, all diese Rennen zu laufen. Die reinste Qual sei es gewesen. Aber eine seiner Qualitäten ist eben sein unbeugsamer Wille. Dass er damit auch Startgelder für Leichtathleten und flächendeckende Dopingkontrollen durchgesetzt hat, ist weiterer Stoff für einen Dokumentarfilm, der 105 Minuten lang fesselt.
13 Steps - Die unglaubliche Karriere von Edwin Moses
- Genre:
- Dokumentation
- Produktionsjahr:
- 2024
- Produktionsland:
- USA
- Regie:
- Michael Wech
- Länge:
- 110 Minuten
- FSK:
- ab 6 Jahren
- Kinostart:
- 5. Dezember 2024