"Die Gewerkschafterin": Politthriller mit Isabelle Huppert
Regisseur Jean-Paul Salomé erzählt die Geschichte einer Frau, die kein Opfer sein will, obwohl sie mehrfach in ihrem Leben eines wird. "Die Gewerkschafterin" lässt einen fassungslos zurück.
"Es lebe die weibliche Solidarität."
"Wenn zwei Frauen effizient zusammenarbeiten, sehen Sie nichts als weibliche Solidarität? Das ist jämmerlich."
Filmszene
Es sind Spitzen wie diese, die zum Alltag der Gewerkschafterin Maureen Kearney gehören. Als gebürtige Irin arbeitet die ehemalige Grundschullehrerin als Arbeitnehmervertreterin für den französischen Kernenergie-Riesen Areva und muss sich mehr als einmal gegen ihre männlichen Kollegen auf Machtpositionen durchsetzen. Dank eines Informanten kommt Kearney an brisante Informationen über einen illegalen Deal ihres Arbeitgebers.
Die Geschichte einer Frau, die kein Opfer sein will
"Die Gewerkschafterin" - und das ist das erschütternde am Film - basiert auf einer wahren Begebenheit, hat als Grundlage den Tatsachenbericht "La syndicaliste" der Investigativjournalistin Caroline Michel-Aguirre. Regisseur Jean-Paul Salomé erzählt mit seiner Hauptdarstellerin Isabelle Huppert die Geschichte einer Frau, die kein Opfer sein will, obwohl sie mehrfach in ihrem Leben eines wird. Denn der Film kippt schnell von einem Politthriller zu einem Psychodrama. Kearney wird im Dezember 2012 in ihrem Haus überfallen, verletzt und sexuell attackiert. Doch die Polizei - das ist das Absurde an dem Fall - glaubt ihr nicht, sieht in ihrer reservierten Abgebrühtheit ein Täuschungsmanöver. Für ihre politischen Gegner ein gefundenes Fressen.
"Sie benimmt sich nicht wie ein Vergewaltigungsopfer. Sagen auch die Ärzte."
"Glauben Sie, sie könnte das alles erfunden haben?"
"Auch bei den Drohanrufen haben wir keine Spur. Wir fragen uns das zwangsläufig."
"Kein Angreifer, also kein Angriff. Ein Täuschungsmanöver. Die Selbstverstümmelung wäre enorm."
"Wir haben die Akte von ihrem Psychologen. Das ist eine Kopie des medizinischen Gutachtens. Sie werden sehen, sie ist psychologisch sehr fragil."
Filmszene
Ein Kipppunkt im Film, denn auch als Zuschauer kommt man ins Zweifeln: Paranoia oder wirklich eine Straftat, die nicht aufgeklärt werden kann?
Hupperts Figur zerbricht an patriarchalen Strukturen
"Die Gewerkschafterin" baut sein Thema langsam auf, deutet den Alltagssexismus immer wieder unterschwellig an und zeigt, dass es bis zur Gleichberechtigung noch ein weiter Weg ist. Maureen Kearney ist keine karrieregetriebene Femme fatale, Regisseur Salomé zeigt sie als Mutter und Ehefrau, als weibliches Mitglied der Gesellschaft, die an der patriarchalen Struktur der französischen Wirtschaftselite zerbricht. Huppert spielt das kontrolliert und distanziert. Der Film ist fast schon unaufgeregt, nüchtern und lässt einen ob der Brisanz der Geschichte und in seinem Wechsel aus Politthriller und Psychodrama fassungslos zurück.
Die Gewerkschafterin
- Genre:
- Thriller | Drama
- Produktionsjahr:
- 2022
- Produktionsland:
- Frankreich, Deutschland
- Zusatzinfo:
- Mit Isabelle Huppert, Grégory Gadebois, Yvan Attal u.a.
- Regie:
- Jean-Paul Salomé
- Länge:
- 121 Minuten
- FSK:
- ab 16 Jahre
- Kinostart:
- ab 27. April 2023