"Die Alchemie des Klaviers": Der Zauber der Musikinterpretation
Der Dokumentarfilm von Jan Schmidt-Garre ergründet die Geheimnisse des klassischen Klavierspiels. Lohnend für Menschen, die selbst ein Instrument spielen, oder die Musik besser verstehen wollen.
Die portugiesische Klavierlegende Maria João Pires sitzt am Flügel in einem leeren Konzertsaal. Sie ist die erste, die der junge italienische Kollege Francesco Piemontesi aufsucht. Seine Mission: Er will die Geheimnisse des klassischen Klavierspiels ergründen, mit Hilfe der Altvorderen, mit Hilfe einiger Klavierlegenden des 20. Jahrhunderts. Bei Maria João Pires geht es um die Körperlichkeit, das Öffnen der Schultern, die Gesten, die den Klang bestimmen. Und die Größe der Hände - beziehungsweise ihre Winzigkeit im Fall von João Pires.
Zu diesem frühen Zeitpunkt des Films fragt man sich, welcher erlesene Kreis von Menschen diese Finessen der Klavierspiels wirklich so genau kennenlernen möchte. Aber "Die Alchemie des Klaviers" fügt sich erst mit der Zeit zu einem dichteren Bild.
Der Musikschreibmaschine Seele einhauchen
"Wir sind an technische Dinge gebunden. Wenn ich die Taste drücke, sind das 200 mechanische Teile, pro Taste! Wirklich!“ Francesco Piemontesi
Francesco Piemontesi diskutiert mit der Opernsängerin Ermonela Jaho den Klavierapparat:
"Wir haben also eine gewisse Distanz zu dem Instrument und müssen sie verringern, indem wir an das Singen denken, uns die Phrasierung und den Ausdruck vorstellen." Francesco Piemontesi
Letztlich ist das Klavier eine Musikschreibmaschine, ein mechanischer Automat, dem Seele einzuhauchen wirklich etwas Mystisches oder eben "Alchemisches" hat.
Antonio Pappano: "Klangfarben erzeugt man durch Imagination"
Antonio Pappano, der künftige Chef des London Symphony Orchestra und Musikdirektor des Royal Opera House erläutert seinen "Farbkasten" - wie es ihm gelingt, die Klangpalette eines Orchesters aus dem Klavier zu zaubern:
"Mein Mentor Daniel Barenboim spricht über den Willen: Man muss bestimmte Farben wollen, und dann kommen sie. Man erzeugt sie durch Imagination." Antonio Pappano
So esoterisch das klingen mag, man hört den Unterschied. Gerade wenn Pappano, ein guter, aber kein Spitzenpianist, Arien auf dem Flügel zum wahrhaftigen "Singen" bringt. Seit Jahrzehnten arbeitet er vom Flügel und vom Dirigentenpult aus mit Sängern und Orchestern.
"Die Alchemie des Klaviers": Ein intensives Musikerlebnis
Beeindruckend sind auch Piemontesis Besuche bei Pianisten, die inzwischen fast ganz von der Bildfläche verschwunden sind, bei Stephen Kovacevich zum Beispiel, der davon überzeugt ist, dass mehr Hautkontakt mit den Tasten den Klang des Spiels beeinflusse. Oder bei Jean-Rodolphe Kars, dem österreichischen Juden, der mitten auf dem Höhepunkt seiner Pianistenkarriere zum Katholizismus konvertierte und Priester wurde. Heute lebt er zurückgezogen in einem Kloster im Burgund. Im Film spielt er zwar mit eingerosteten Händen, aber hinreißendem Ausdruck die Musik von Olivier Messiaen.
"Die Alchemie des Klaviers" ist ein Film, mit dem es sich tief eintauchen lässt in das Wesen schöpferischer Interpretation auf dem Klavier. Lohnend für Menschen, die selbst ein Instrument spielen, oder die intensiv Musik erleben und besser verstehen wollen.
Die Alchemie des Klaviers
- Genre:
- Dokumentation
- Produktionsjahr:
- 2024
- Produktionsland:
- Deutschland
- Regie:
- Jan Schmidt-Garre
- Länge:
- 94 Minuten
- FSK:
- ab 0 Jahren
- Kinostart:
- 14. November 2024