Filmfest Hamburg: Albert Wiederspiels letzte Saison als Leiter
Albert Wiederspiel ist 2023 zum letzten Mal Leiter des Filmfestes Hamburg, danach übernimmt Malika Rabahallah. Er freut sich darauf, denn dann kann er endlich mal wieder ohne Hintergedanken ins Kino gehen, sagt er im Interview.
Heute beginnt das Filmfest Hamburg, die letzte von Albert Wiederspiel verantwortete Festivalausgabe. Nach 21 erfolgreichen Jahren verlässt er das Festival. Die Nachfolge steht auch schon fest, es wird Malika Rabahallah. Sie wird ab 2024 Leiterin des Filmfests Hamburg.
Denken Sie denn schon ans Ende?
Albert Wiederspiel: Das mit dem Ende habe ich noch gar nicht realisiert. Für mich ist das in der Tat ein Beginn. Ich habe noch neun Tage vor mir. Ich werde sehr oft angesprochen, dass es mein letztes Filmfest ist, aber persönlich ist es mir noch überhaupt nicht klar. Ich vermute, dass mir das am letzten Tag vom Filmfest deutlich wird.
Sie haben schon früh gesagt, dass das Filmfest Hamburg für Sie als Leiter in diesem Jahr das letzte Mal sein wird, haben Sie die Entscheidung bereut?
Wiederspiel: Nein, ich habe immer gedacht, man soll nicht länger als 20 Jahre machen, und dann habe ich mich verzählt, weil ich dachte, ich habe in 2003 angefangen. Wenn ich 2023 aufhöre, sind es 20 Jahre. Dann wurde mir irgendwann klar, dass das gar nicht stimmt. Es sind 21 Jahre, also ich habe ein Jahr mehr gemacht, als ich eigentlich wollte. Ich finde, man sollte aufhören, wenn es am schönsten ist. Und es ist sehr schön! Ich finde, die nächste Generation soll jetzt übernehmen. Die Filmbranche hat sich verändert, die Festivallandschaft hat sich verändert und meine Nachfolgerin soll jetzt damit kämpfen. Ich gehe in einen Unruhestand oder Vorruhestand, je nachdem wie man das nennen will.
Sie können das gut hinter sich lassen, denn Sie sind mit ihrer Nachfolgerin sehr zufrieden, oder?
Wiederspiel: Ich bin sehr glücklich mit meiner Nachfolgerin. Ich finde, das steht der Stadt eine Frau zu nehmen und auch jemand zu nehmen, mit einem sogenannten Migrationshintergrund, das war mir irgendwie wichtig. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass das jetzt ein 1,90 Meter großer, blonder Mann übernimmt. Insofern bin ich sehr zufrieden. Malika Rabahallah ist eine gute Freundin, und ich bin überzeugt davon, dass sie das mit viel Energie, Elan und Begeisterung macht, denn Malika hat so etwas begeisterungsfähiges. Sie wird das schon sehr gut stemmen.
Wenn Sie zurückschauen, auf die vergangenen Jahre, war Sophia Loreen 2003 der erste Star-Gast. Wie hat sich das Filmfest entwickelt?
Wiederspiel: Ich finde, wir sind größer geworden. Wir haben deutlich mehr Publikum dazu gewonnen. Zwei Sachen waren mir damals sehr wichtig, ich wollte ein Kinderfilmfestival machen, das haben wir gleich im ersten Jahr etabliert. Das zweite war, dass ich das Filmfest damals in der Innenstadt konzentrieren wollte, sodass man zwischen den Kinos hin und her laufen kann. Damals war es mir gelungen, inzwischen haben wir ein gewisses Kinosterben. Ein großes Kino an der Grindelallee ist leider verschwunden und ist jetzt ein Drogeriemarkt. Die meisten Kinos sind in der Nähe, dass man tatsächlich hüpfen kann und das ist für mich Teil eines Festivals, dass man quasi von Film zu Film gehen kann und an einem Tag so viele Filme wie möglich sehen kann.
Waren Sie denn immer zufrieden mit der Unterstützung durch die Stadt und die Politik? Wird Film immer als Kulturgut gesehen?
Wiederspiel: Mit der ideellen Unterstützung war ich immer sehr zufrieden. Gerade in den letzten Jahren war es politisch mit Carsten Brosda ein Vergnügen. Richtig gut finanziert, im Vergleich zu anderen vergleichbaren Festivals, sind wir nicht, das wissen alle, das weiß auch die Kulturbehörde. Aber dafür sage ich immer, wenig Geld, aber viel Freiheit. Man hat uns machen lassen und interveniert nicht in das Programm. Vor allem gibt es seitens der Politik überhaupt keinen Druck auf Stars, rote Teppiche und Bling-Bling. Wir sind kein Bling-Bling Festival, ich finde, das steht der Stadt Hamburg auch nicht, das sah auch die Kulturbehörde so. Ideell waren wir uns immer sehr einig.
Es gibt viele Filmfeste im Norden: Emden-Norderney, Braunschweig, Schwerin. Was zeichnet das Filmfest Hamburg besonders aus?
Wiederspiel: Wir sind wahrscheinlich die größten hier oben im Norden, und wir sind dadurch internationaler mit vielen internationalen Gästen. Ich glaube, was uns auszeichnet, ist, dass diese Gäste ansprechbar sind. Die sind abends in der Bar, die sind für Gespräche im Kino bereit, die verschwinden nicht in schwarze Limousinen, wie es bei ganz großen Festivals der Fall ist. Ich hoffe, dass wir ein intimes Mittelding zwischen kleinen, regionalen und riesen großen Festivals sind. Das kommt beim Publikum ziemlich gut an.
Ein Vorteil ist, wenn die neun Tage Filmfest vorbei sind, dass Sie in Zukunft entspannter ins Kino gehen können, oder?
Wiederspiel: Ich freue mich wahnsinnig darauf. Ich bin 40 Jahre in der Filmbranche, und ich stelle fest, dass ich seit 40 Jahren überhaupt nicht mehr normal ins Kino gehe. Ich gehe immer ins Kino und denke, hätte ich den Film mit im Filmfest aufnehmen sollen, oder nicht? Ich hoffe, dass der Kopf irgendwann leer ist, und ich völlig frei von diesen Gedanken, ganz normal ins Kino gehen kann.
Das Gespräch führte Philipp Schmid.