Schweiger-Filme: Drehbuchautorin bekommt Recht, aber wenig Geld
Nach fünfjährigem Streit um eine Gewinnbeteiligung an "Keinohrhasen" und "Zweiohrküken" gibt es ein Urteil, das der Drehbuchautorin Anika Decker Geld zuspricht. Einige Beobachter sehen das Urteil dennoch kritisch.
Sie gilt als die erfolgreichste Liebeskomödie der letzten 20 Jahre: "Keinohrhasen" mit Nora Tschirner und Til Schweiger. Ob Kinofilm, DVD-Verleih oder Free-TV-Premiere - nahezu überall war der Film erfolgreich. Die Produktion stammt aber nicht nur von Til Schweiger, sondern auch aus der Feder von Anika Decker.
"Keinohrhasen" spielte allein im Kino insgesamt rund 70 Millionen Euro ein. Anika Decker erhielt aber nur 50.000 Euro - ein grobes Missverhältnis, fand die Drehbuchautorin. Deshalb klagte sie, fünf Jahre lang, und wollte auch an den Gewinnen beteiligt werden. Das hat ihr das Berliner Landgericht am Mittwoch zugesprochen - zum Teil. Volker Zahn vom Deutschen Drehbuchverband konnte bereits mit Annika Decker sprechen: "Sie hat sich sehr gefreut. Das hat natürlich auch damit zu tun, dass es eine wahnsinnige Belastung ist, so einen Prozess zu führen, weil da viel auf dem Spiel steht. Nicht nur finanziell, sondern auch was den Job anbelangt - Stichwort Blacklisting. Da besteht immer die Chance, dass du in der Branche das schwarze Schaf bist, mit dem keiner mehr arbeiten möchte", erklärt Zahn.
Ist das jetzt ein faires Urteil?
Der Drehbuchverband spricht von einer Signalwirkung des Urteils. Dieser Ansicht möchte sich Harro von Have jedoch nicht anschließen. Zu den Mandanten des Hamburger Medienrechtsanwalts zählen Künstler wie Hape Kerkeling, Otto Walkes oder Fatih Akin. Das Gericht hat sich in seinem Urteil nämlich auf den sogenannten Fairnessparagraphen bezogen - und der existiert schon seit 2002. "Zunächst mal ist es so, dass jeder, ob Drehbuchautor oder Regisseur, einen Anspruch auf angemessene Vergütung hat", erläutert von Have. "Wenn dann aber zusätzlich ein eklatantes Missverhältnis vorliegt, dann kann man eine Anpassung des Vertrages erstreiten. Das hat Frau Decker hier gemacht."
Tatsächlich sprach das Gericht Anika Decker eine sogenannte Nachvergütung zu. Doch wie viel steht Anika Decker nun zu? Harro von Have weiß, wo es hakt: "Der ganz große Knackpunkt bei dem Urteil ist nämlich die Frage: Wann ist der Anspruch entstanden, zu welchem Zeitpunkt? Wann hätte sie Kenntnis haben müssen? Da sagt das Gericht: Bei einem derartigen Erfolg hätte sie sich schon früher dazu entschließen müssen, Klage einzureichen."
Recht bekommen und doch den Prozess verloren
Zu spät reichte Decker Klage ein. Deshalb sprach ihr das Gericht nur 50.000 Euro für "Keinohrhasen" und 68.000 Euro für den Nachfolgefilm "Zweiohrküken" zu. Richter Rolf Danckwerts sagte bei der Urteilsverkündung auch, dass Anika Decker den Prozess im Wesentlichen "verliere". Deshalb müsse sie die kompletten Prozesskosten übernehmen. Ungerecht finden das die Drehbuchautoren wie beispielsweise Volker Zahn: "Wir als Autor*innen finden es sehr grotesk, dass wir uns neben dem Erfinden von Geschichten eigentlich noch darum kümmern sollen, den Markt zu beobachten, um dabei herauszufinden, ob unsere Werke irgendwie erfolgreich sind oder nicht - und dann auch noch zu klagen. Das kann nicht unsere Aufgabe sein, und da muss der Gesetzgeber relativ schnell nachrüsten."
Drehbuchautoren beklagen schwierige Arbeitsbedingungen - es gibt aber mögliche Lösungsansätze
Volker Zahn spricht trotzdem von einem Rückenwind für die Drehbuchautoren - den der Streik in den USA auch noch einmal bestärkt. Es wird Zeit, die Arbeitsbedingungen seien in der Filmbranche immer schwieriger geworden, sagt zum Beispiel Norbert Eberlein, Drehbuchautor vom "Großstadtrevier": "Ich bin seit 30 Jahren Drehbuchautor. Ich begann, als es Wiederholungshonorare gab, das heißt, eine Erfolgsbeteiligung für den Urheber. Das wurde in den letzten Jahren mehr und mehr abgeschafft. Bizarrerweise wird jetzt soviel wiederholt wie noch nie - nämlich rund um die Uhr in den Mediatheken. Eine Entwicklung, mit der man als Autor nicht wirklich glücklich sein kann", sagt Eberlein.
Medienrechtler Harro von Have sieht die Entwicklung nicht ganz so kritisch. Seiner Meinung nach gebe es durchaus einen Ausweg aus solchen jahrelangen Rechtsstreitigkeiten wie dem zwischen Autorin Anika Decker und Til Schweigers Produktionsfirma. Das Zauberwort nennt sich "Gemeinsame Vergütungsregeln". Harro von Have erläutert das genauer: "Wenn eine gemeinsame Vergütungsregelung vorliegt, dann hat man so eine Art Tariftabelle und hat dann den Anspruch relativ problemlos beziffert. Insofern gibt es auch einen praktischen Lösungsansatz, um Streitigkeiten in Zukunft zu verhindern. Wenn so eine Vergütungsregelung, also ein Tarifvertrag, vorliegt, dann gilt diese anstelle der individuellen Berechnung."
Das Urteil muss sowohl Anika Decker als auch Til Schweiger und Warner noch schriftlich zugestellt werden. Erst dann darf es vom Gericht auch in Gänze veröffentlicht werden. Beide Seiten wollten sich heute zu dem Streit nicht äußern. Eine Berufung hat das Gericht jedenfalls zugelassen. Möglich, dass der Streit dann nochmal in eine weitere Runde geht.