"Player of Ibiza"-Macher über satirische Kritik an Reality-TV Shows
Die Comedy Mockumentary "Player of Ibiza" läuft in der ARD Mediathek. Sie stammt von Bruno Alexander, Emil und Oskar Belton ("Die Discounter") aus Hamburg, die von ihrer Serie in der NDR Talk Show erzählt haben.
In "Player of Ibiza" trifft Reality-TV-Show in fünf Folgen auf Ibiza goes Feminismus-Bootcamp in Buchholz in der Nordheide. Die Macher der Serie sind erst Mitte 20 und schon auf dem Sprungbrett zu einer großen Karriere. Bruno Alexander und die Zwillinge Emil und Oskar Belton aus Hamburg sind seit der fünften Klasse befreundet und teilen seitdem die Leidenschaft für das Filmemachen. 2020 drehten sie für "Amazon Prime" die Comedy-Serie "Die Discounter", die es dort auf Anhieb in die Top 10 der beliebtesten Serien in Deutschland schaffte.
Zusammen mit ihren beiden engsten Freunden Max Mattis und Leonard Fuchs haben sie auch die Serie "Intimate" gedreht und ihre eigene Produktionsfirma Kleine Brüder gegründet. Ein Gespräch über die neue Serie "Player of Ibiza", die nunin der ARD Mediathek zu sehen ist - linear am 19. Juni im NDR Fernsehen. Ein Gespräch über Improvisation, Reality-TV, Gender-Klischees und Humor.
"Player of Ibiza" erzählt von einer Reality-TV-Show, die zum Feminismus-Bootcamp umgestaltet werden soll. Wie seid Ihr als eingespieltes Jungsteam auf so eine Idee gekommen?
Oskar: Die Produzentin Ina Kersten ist mit dieser Idee auf uns zugekommen. Sie dachte, wir könnten gut über junge Männer erzählen, die mit feministischen Ideen konfrontiert werden und dadurch in so eine Identitätskrise geraten. Uns war natürlich klar, dass wir das nicht wie vorher nur als Jungsteam realisieren können, sondern mal die Reihen aufbrechen müssen. Wir drei haben dann gemeinsam mit den Autorinnen Miriam Bühler und Ellen Holthaus die Drehbücher geschrieben. Das hat sehr gut funktioniert. Ohne sie hätte es keinen Sinn gemacht.
Warum habt Ihr Euch in der Serie für Typen entschieden, die alle Klischees über Männlichkeit erfüllen, die man sich vorstellen kann?
Emil: Wir wollten eine kleine satirische Kritik an Reality-TV Shows üben und haben uns auch viele reingezogen. Bei unseren Gesprächen mit einigen TV-Show-Regisseur*innen haben wir gemerkt, die suchen sich genau solche klischeehaften Männer- und Frauentypen aus, damit das richtig aufeinanderprallt. Reality-Shows funktionieren ja so gut, weil man angeblich echte Charaktere sieht, die scheitern, über die man sich auch lustig machen kann. Und für unsere Serie war das perfekt, weil wir dann wirklich die klassischen toxischen Männer zeigen konnten, die auf Feminismus knallen. Damit konnten wir den größtmöglichen Konflikt erzählen.
Bruno: Aber wir wollten die Figuren in ihrer Überspitzung auch ernst nehmen. Deshalb haben wir uns zum Beispiel die Geschichten zu Abdel und seiner Beziehung zum Islam nicht einfach so ausgedacht, sondern mit einem Imam, der sich für queere Muslime und Muslima einsetzt, gesprochen.
Emil: Es gibt ja auch noch genügend Jungs, die mit feministischen Ideen überhaupt nichts anfangen können und der Begriff LGBTQ+ ist für sie eine Beleidigung oder ein Schimpfwort. Und deswegen wollten wir auch die Charaktere nicht so unfassbar reflektiert erzählen. Wir wollten uns auch abheben von vielen Serien, die jetzt gedreht werden, in denen die Charaktere immer alles richtig machen und super reflektiert sind. Da wird so getan, als wenn sich alle in unserer Gesellschaft damit beschäftigten, aber im echten Leben ist das überhaupt nicht so.
Bruno: Genau. Außerdem wollten wir einfach eine lustige, unterhaltsame Serie mit unserer Art von Humor machen, den wir auch bei "Die Discounter" oder "Intimate" benutzt haben. Vielleicht nehmen die Zuschauer und Zuschauerinnen ja was mit, aber vielleicht auch nicht. Wenn wir davon ausgehen würden, mit dieser Serie tatsächlich einen großen Unterschied zu machen, würden wir uns, glaube ich, ein bisschen zu wichtig nehmen.
Warum setzt Ihr bei Euren Serien immer auf Improvisation?
Oskar: Es klingt so kitschig, wenn man von Teamwork redet, aber wir wollen bei unseren Projekten auch immer mit den Schauspielern und Schauspielerinnen zusammenarbeiten. Wir sehen uns nicht als drei Regisseure, die das Zepter schwingen und sagen, wie es zu laufen hat. Alle sollen ihren Input geben können, und ich hoffe, man merkt der Serie an, dass sie aus vielen Einflüssen entstanden und authentisch ist.
Bruno: Wir machen zum Beispiel immer Einzelinterviews in der Serie, wo wir hinter der Kamera sitzen und die Teilnehmer*innen oder die Regisseurin der Serie befragen. Und da hat dann auch Larissa in ihrer Rolle als Amelie zu Themen was gesagt, die wir gar nicht vorgesehen hatten. Wir haben uns dann zurückgenommen, weil Larissa einfach mehr Plan hatte, sie hat rausgehauen, was sie dachte, und das war total witzig.
Emil: Wir haben auch gelernt, dass man einfach als Mann zu vielen feministischen Themen nichts zu sagen hat, weil Männer jetzt einfach mal wirklich die Klappe halten sollten. Daher war es uns auch wichtig, in der Serie noch viel mehr Raum für Improvisation zu schaffen als zum Beispiel bei "Die Discounter" und "Intimate". Wir haben meist nur die Erzählstruktur gegeben, der Rest kam aus den Rollen.
Bruno und Emil, Ihr beide spielt auch in der Serie mit. Seid Ihr mit der Regie nicht ausgelastet?
Bruno: Wir hatten die ganze Zeit ein bisschen Schiss vor diesem Dreh, weil da ein Haufen Jungs am Set war und diese Gruppenszenen sind immer schwer zu kontrollieren. Wir dachten, wenn zwei von uns Regisseuren mitspielen, können wir das ein bisschen lenken, und wenn es mal stockt, die Konversation in der Impro vorantreiben. Am Ende war das gar nicht nötig, weil alle genau wussten, wie sie ihre Rolle in der Serie einbringen sollen.
Einige der Darsteller*innen in der Serie haben sich auch selbst gespielt.
Oskar: Wir wollten Frauen einladen, die zum Thema wirklich was zu sagen haben. Mareice Kaiser, die in der Serie Anna König heißt, ist eine feministische Bestsellerautorin und gibt auch Seminare und Paulita Pappel ist eine feministische Pornofilm-Produzentin. Sie spielen natürlich eine Rolle, aber eigentlich haben sie ihre eigene Agenda verfolgt. Wir haben ihnen gesagt: Wir kommen da hin, Ihr trefft auf fünf sexistische Jungs, die halt wirklich keinen Plan haben, und dann lassen wir das einfach mal laufen. Und dann haben wir das gefilmt und anschließend die Interviews gedreht. Das war ein sehr offenes, spielerisches Konzept und hat viel Spaß gemacht.
Bruno: Im Vorfeld haben wir mit Paulita Pappel gesprochen und gefragt, was ihrer Meinung nach in der Pornobranche vernachlässigt wird und was ihr wichtig wäre zu zeigen. Auf der Grundlage haben wir dann die Porno-Set-Szene geschrieben, wobei am Set eh wieder alles anders kam. Zum Glück. So haben einfach wieder alle ihren Senf dazu gegeben.
Gab es bei Euch auch Momente des Fremdschämens?
Emil: Mir war das Verhalten von Anthony, den ich spiele, oft total peinlich. Wir haben bei einem echten Ecstatic-Dance-Kurs gedreht. Die Teilnehmer kannten das Drehbuch nicht und wussten nicht, was abgeht. Anthony labert, dass man nur mit Drogen Spaß haben und Frauen klarmachen kann. Das war mir schon echt unangenehm. Nach dem Dreh dachte ich, ich muss denen schon sagen, dass das nur eine Rolle war und ich anders bin.
Bruno: Die Charaktere der Jungs hatten alle schwierige Meinungen, die den Charakter sehr schnell unsympathisch machen konnten. Das Wichtigste war es, uneitel mit der Rolle zu sein und sie nicht immer versuchen zu beschützen oder sympathisch zu halten. Das haben alle von Tag 1 an verstanden.
Oskar: Wenn du improvisierst, musst du ganz im Moment sein und nicht ständig denken, was will ich unbedingt noch loswerden oder was kratzt an meinem Ego. Du musst auf die anderen eingehen. Improvisieren ist wie ein Tanz miteinander.
Ihr dreht Mockumentarys, also fiktive Serien, die aussehen wie Dokumentarfilme, in diesem Fall wie Reality-Shows, und gleichzeitig parodiert Ihr sie. Warum seid Ihr mit diesem Format so erfolgreich?
Bruno: Ich glaube, eine Serie ohne Filter kommt gut an. "Die Discounter", "Intimate" und hoffentlich auch diese Serie sind erfolgreich, weil sie roh, ein bisschen dreckig und unfertig sind.
Oskar: Wir von der Gen Z haben keinen Bock mehr auf die geschönte Wahrheit. Die Leute wollen Realness und nicht diese Hochglanzformate. Auf Social Media ist alles unfassbar geschönt, jeder gibt vor, perfekt zu sein, aber das ändert sich jetzt. Viele nervt diese Leistungsgesellschaft, in der höher, weiter, schneller am besten ist. Jetzt geht es eher darum, bei sich anzukommen und irgendwie zu sich selbst zu finden, auch mal verletzlich zu sein.
Das ist Eure erste Zusammenarbeit mit dem NDR, einem öffentlich-rechtlichen Sender. Hattet Ihr Angst, dass Ihr Euch verbiegen müsst?
Emil: Wir hatten am Anfang sicher auch das Vorurteil, dass es schwierig wird mit einem öffentlich-rechtlichen Sender, dass uns voll reingeredet wird, aber wir hatten mit Sabine Holtgreve eine coole Redakteurin, die tatsächlich gesagt hat, sie vertraut unserer Kreativität und lässt uns ein bisschen an einer lockeren Leine. Und auch der Redaktionsleiter Christian Granderath hat gesagt, ich verstehe das alles nicht so wirklich, aber ich lass euch mal machen. Das fanden wir echt stabil von ihm, dass er da zurückgetreten ist, weil man das von vielen Redaktionen ganz anders kennt.
Bruno: Ich finde auch gut, dass die Leute nichts dafür zahlen müssen, wenn sie die Serie gucken wollen. Gerade bei dieser Serie ist das irgendwie cool. Sie ist in der ARD Mediathek ja frei zugänglich.
Warum heißt Eure Produktionsfirma eigentlich "Kleine Brüder"?
Emil: Naja, wir sind alle kleine Brüder. Kleine Brüder sind rebellischer und sie wollen von den großen Brüdern gesehen werden.
Bruno: Ich glaube, dass wir alle den Drive haben, richtig gut zu sein, damit unsere Brüder sagen, das ist krass, was Ihr macht. Wir haben einen Kleine-Brüder-Komplex.
Sind die "Kleinen Brüder" denn richtige Nordlichter oder zieht es Euch wie so viele Filmschaffende nach Berlin?
Emil: Berlin ist cool, aber Berlin kommt an Hamburg nicht dran. Wir bleiben Hamburg treu bis zum Tod.