Abaton-Gründer Werner Grassmann gestorben
Bereits am 14. August ist Werner Grassmann, Gründer der Abaton-Kinos im Grindelviertel, gestorben. Das hat seine Familie dem NDR bestätigt. Grassmann machte das Abaton zu einem der bedeutendsten Filmhäuser der Stadt.
Vor dem Abaton ist das Studio 1. In der Schmilinskystraße in St. Georg eröffnet Werner Grassmann 1953 ein Kino. Es ist nicht gerade ein Multiplex. Die Leinwand: Ungefähr genauso groß wie der durchschnittliche Flachbildfernseher heutzutage.
Studio 1: Mini-Vorläufer des Abaton in St. Georg
"Es war nicht sehr groß", erinnerte sich Grassmann einmal im Interview. "Es passten gerade mal 18 Stühle und mit etwas Verklemmung 25 Stühle rein. Das fanden die Leute komisch, vor allem fanden sie aber das Programm sehr gut. Damals gab es sehr viele Ufa-Filme, Hamburg war noch voller Schutt und der Kulturhunger unglaublich." Wer Geld verlieren wolle, könne Roulette spielen, schreibt er in seiner Autobiografie "Hinter der Leinwand". Oder einfach ein kleines Kino eröffnen. Nach drei Jahren muss er das Studio 1 aufgeben.
Karrierestart als Filmkritiker nach dem Krieg
Werner Grassmann wird 1926 geboren. Am Ende des Krieges wird er noch an die Ostfront geschickt. Im Nachkriegs-Hamburg ist er erst Filmkritiker bei verschiedenen Zeitungen, arbeitet dann unter anderem in der Tagesschau-Redaktion. Neben seiner Arbeit für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk baut er damals auch eine eigene Produktionsfirma auf, macht Dokumentarfilme.
Werner Grassmann: "Ich wollte Filme machen"
"Ich wollte eigentlich kein Kinobesitzer werden, das ist eigentlich ein Abfallprodukt meiner Karriere", so Grassmann. "Ich wollte Filme machen." Seine Filme und die vieler Kollegen finden damals aber keine Verleiher. 1968 ist er Mitgründer der Film Coop, die das Ziel hat, selbst Filme ins Kino zu bringen.
Zwei Jahre später versucht er sich wieder an einem Kino: 1970 eröffnet das Abaton. In einer Garage. "Dann hat mein Vater geholfen, hat gebürgt mit seinem Haus im Sachsenwald", erinnerte sich Grassmann. "Wir hatten dann die alten Kinosessel, die wir aus der alten Ufa in Harvestehude geholt hatten. Es war alles sehr einfach, sehr primitiv. Aber ich war voller Enthusiasmus."
Abaton zeigte Fassbinder und Herzog schon früh
Das Abaton ist anders. Hier kann man Filme in anderen Sprachen sehen. Als andere noch die Nase rümpfen, zeigt Grassmann schon Rainer Werner Fassbinder oder Werner Herzog. Direkt neben der Uni zieht es die Filmfans der Studentenbewegung und der Gegenkultur an.
"Das Abaton war eben kein Filmkunsttheater, sondern eine politische Institution", so der Kinobesitzer. "Wir zeigten Filme, die man sonst nicht sehen konnte. Hinterher gab es Diskussionen über die Filme, die manchmal richtig heftig waren. Ich kann mich erinnern, wie Rosa von Praunheim damals seinen Film 'Die Bettwurst' gezeigt hat. Da gab es die Frage, ob er schwul sein darf oder nicht. Die Leute gingen nach dem Film auf die Straße und haben weiterdiskutiert."
Abaton-Programm: Schlaue Filme, über die man reden muss
Er macht weiterhin Filme, engagiert sich in verschiedenen kulturellen Gremien. Ganz langsam zieht er sich im Alter aus dem Tagesgeschäft zurück, übergibt die Programmgestaltung schließlich seinen Söhnen. Noch im hohen Alter kommt er, oft auffällig mit Hut, zu Premieren in seinem Abaton. Man begegnet ihm auch immer wieder in den Hamburger Museen oder beim Eisessen im Grindelviertel. Das Abaton hat er bundesweit bekannt gemacht. Im Programm: Schlaue Filme, über die man reden muss.
Hamburg hat mit Werner Grassmann seinen wichtigsten Kinomacher verloren.