Sendedatum: 03.10.2010 16:20 Uhr

Palast der Republik

von Ida Krenzlin

Der Palast der Republik war eines der bekanntesten und später auch umstrittensten Bauwerke der DDR. Auf seinem Areal stand das kriegszerstörte Berliner Stadtschloss, das 1950 sehr zum Leidwesen vieler Berliner abgerissen wurde. Trotzdem: Der Palast der Republik war ein Publikumsmagnet. Er brachte Glamour ins architektonisch graue und heruntergekommene Ostberlin der Endsiebziger und Achtziger Jahre. Während rund um den Alexanderplatz Kriegslücken, unverputzte Fassaden - noch voller Einschusslöcher aus dem Zweiten Weltkrieg - das Stadtbild prägten, leuchtete der Palast der Republik verheißungsvoll über die Spree und lockte Millionen Besucher an. Ida Krenzlin über einen Bildband, der "den Palazzo Prozzo", wie er auch genannt wurde, von einer anderen Seite zeigt.

Wolf Biermann sang in einem seiner Lieder: "Und es begab sich im 25. Jahr‘ der Deutschen Demokratischen Republik. Da ließen die Herrschenden sich vom Volk ein gewaltiges Haus bauen, mitten in Berlin auf dem Marx-Engels-Platz." Biermann konnte es nicht leiden. Im Baujahr 1976 wurde er ausgebürgert. "Da tauften die Kumpels das Werk ihrer Hände ‚Palatzo di Protzo‘, Palatzo die Protzo!"

Der Palast der Republik - mehr als ein Gebäude

1993 hat ihn Thorsten Klapsch fotografiert, den Protzpalast der DDR. 3 Jahre zuvor hatte der Palast der Republik seine Türen geschlossen. Doch noch immer liegen die Tischdecken auf den runden Bistrotischen, im Eingangsfoyer hängen die großformatigen Wandgemälde von Bernhard Heisig, Willie Sitte und Werner Tübke und in der Mokka-Milch-Eisbar blitzen die auf Hochglanz polierten Leder-Chrom- Barhocker, auch wenn weit und breit kein Kellner zu sehen ist. Die Räume sind menschenleer, die Stühle hochgestellt, die Böden gewischt, das Porzellan ordentlich zusammengeräumt. Eine Registrierkasse im Bühnencasino steht noch auf einem Wägelchen, ein Schild mit dem Hinweis, das Geschirr doch bitte selbst abzuräumen daneben, doch der Stecker ist gezogen, das Elektrokabel sorgfältig um die Kasse gewickelt.

14 Jahre nur wurde er genutzt, der Palast der Republik. Der Fotograf Thorsten Klapsch ist als Dokumentar angetreten. Er befreit den Kulturpalast von all dem Pathos, der ihm anhängt. Er konzentriert sich auf seine Architektur, die Innenausstattung der Räume, Säle, Foyers und Treppenhäuser. Und doch erinnern Bilder, wie das der verwaisten Zentralküche daran, dass hier einmal 1.700 Menschen gearbeitet haben. Im Großen Saal standen Harry Belafonte, James Last und auch Udo Lindenberg am Mikrofon.

Bagger, Planierraupen und Kräne haben den Palast längst abgetragen, die letzten Fotos zeigen die neuen freien Sichtachsen auf den Berliner Dom. Was heute bleibt, ist eine Wiese, die auf dem alten Fundament angelegt wurde. Die Frage, wie eine Stadt mit einem Gebäude umgeht, das ihr ein untergegangener Staat hinterlassen hat, beantwortet der Fotoband nicht. Aber er wirft sie auf. Denn beim Durchblättern wird klar, der Palast der Republik war mehr als das Gebäude, die Statik oder die ausgetüftelte Technik der Konzertsäle.

Palast der Republik

von Klapsch, Thorsten
Seitenzahl:
120 Seiten
Genre:
Bildband
Verlag:
Edition Panorama
Bestellnummer:
978-3898234290
Preis:
48,00 €

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Neue Bücher | 03.10.2010 | 16:20 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Bildbände

Fotografie

Ein Latte Macchiato, eine Brille und eine Kerze liegen auf einem Buch © picture alliance / Zoonar | Oleksandr Latkun

Bücher 2024: Das waren die interessantesten Neuerscheinungen

Unter anderem gab es Neues von Martina Hefter, Frank Schätzing, Markus Thielemann, Isabel Bogdan oder Lucy Fricke. mehr

Logo vom NDR Kultur Podcast "eat.READ.sleep" © NDR Foto: Sinje Hasheider

eat.READ.sleep. Bücher für dich

Lieblingsbücher, Neuerscheinungen, Bestseller – wir geben Tipps und Orientierung. Außerdem: Interviews mit Büchermenschen, Fun Facts und eine literarische Vorspeise. mehr

Eine Grafik zeigt einen Lorbeerkranz auf einem Podest vor einem roten Hintergrund. © NDR

Legenden von nebenan: Wer hat Ihren Ort geprägt?

NDR Kultur erzählt die Geschichte von Menschen, die in ihrer Umgebung bleibende Spuren hinterlassen haben - und setzt ihnen ein virtuelles Denkmal. mehr

Der Arm einer Frau bedient einen Laptop, der auf einem Tisch in einem Garten steht, während die andere Hand einen Becher hält. © picture alliance / Westend61 | Svetlana Karner

Abonnieren Sie den NDR Kultur Newsletter

NDR Kultur informiert alle Kulturinteressierten mit einem E-Mail-Newsletter über herausragende Sendungen, Veranstaltungen und die Angebote der Kulturpartner. Melden Sie sich hier an! mehr

NDR Kultur App Bewerbung © NDR Kultur

Die NDR Kultur App - kostenlos im Store!

NDR Kultur können Sie jetzt immer bei sich haben - Livestream, exklusive Gewinnspiele und der direkte Draht ins Studio mit dem Messenger. mehr

Mehr Kultur

Christian Kind steht in seinem Plattenladen hinter der Kasse und lächelt in die Kamera. © NDR Foto: Antonia Reiff

Gerettet durch Crowdfunding: Hamburger Plattenkiste macht weiter

Das Geschäft im Stadtteil Hoheluft versorgt Musikfans mit Vinyl und CDs - doch durch die Corona-Zeit und Schulden stand es kurz vor dem Aus. mehr