Die Sachbücher auf der Longlist behandeln Klima- und Umweltfragen, Wirtschaftspolitik, Künstliche Intelligenz, soziale Ungleichheit, Protestkultur und Demokratieverständnis bis hin zur Erforschung von Krieg und Gewaltphänomenen.
Stand: 27.09.2023 | 06:00 Uhr
1 | 10 Wie das Kaninchen vor der Schlange erstarrt der Mensch vor den scheinbar unbegrenzten Möglichkeiten der Künstlichen Intelligenz (KI). Aber ist die KI mit digitaler Menschlichkeit, berechneten Gefühlen, wahrscheinlichkeitsbasierten Antworten dem Menschen wirklich ebenbürtig? Oder gar überlegen? Joachim Bauer riskiert einen Blick aus neurologischer Sicht. Warnt vor Flucht aus der Realität in digitale Welten, erklärt wie digitale Produkte unser Leben beeinflussen, wie wir KI begegnen sollten und warum der Mensch die Menschlichkeit braucht.
© Heyne
2 | 10 Teresa Bücker zeigt die politische Dimension von Zeit auf - heute und in der Zukunft. Für die Menschen im Arbeitsdauerstress, in der Care-Arbeit, in der ständigen Erreichbarkeit. Wer Zeit hat, hat Macht, wer zu viel Zeit hat, hat Ohn-Macht. Warum Zeit, auch Arbeitszeit gerechter verteilt werden muss, warum das nicht nur eine Frage der Ungleichheit zwischen Mann und Frau ist, sondern gesellschaftliche, soziale Implikationen hat - all das ist zu lesen in diesem relevanten Buch mit dem wunderschönen Titel: "Alle Zeit". Es klingt nach Versprechen und Forderung zugleich, ein Buch, für dessen Lektüre auf jeden Fall Zeit sein muss.
© Ullstein
3 | 10 Claudia Kemfert löst ein, was der Titel ihres Buches "Schockwellen" verspricht. Sie hat einen kämpferischen Appell für einschneidende Entscheidungen geschrieben. Kriegsschock, Energieschock, Preisschock - wie hatte es nur so weit kommen können? Drastisch beschreibt Claudia Kemfert die Entwicklungslinien hin zur Eskalation eines "fossilen Energiekrieges". Sie zeichnet nach, wie Fehlannahmen und Wissenschaftsfeindlichkeit von Entscheidungsträgern die aktuelle Lage herbeigeführt haben. Dabei argumentiert die Wissenschaftlerin aus ihrer persönlichen Perspektive als Politikberaterin. Ihr Debattenbeitrag zu einer der drängendsten gegenwärtigen Zukunftsfragen: "Wie es endet, liegt an uns".
© Campus Verlag
4 | 10 "Keine falsche Toleranz" ist ein Buch über dunkle Machenschaften und vertane Chancen. Der renommierte Hamburger Historiker Wolfgang Kraushaar verfolgt die mal unsichtbaren und mal skandalös sichtbaren Spuren des Rechtsradikalismus von 1945 bis heute. Von der oft halbherzigen Entnazifizierung über die NPD bis hin zu Reichsbürgern, Querdenkern, AfD und NSU. Zu oft war die Bundesrepublik auf dem rechten Auge blind. Gründlich recherchiert, nüchtern und klar geschrieben: ein Standardwerk über antidemokratische Traditionslinien der vergangenen 75 Jahre.
© Europäische Verlagsanstalt
5 | 10 Hanno Sauer erklärt den schillernden Begriff Moral zum roten Faden, der Menschen mehr oder weniger unausgesprochen verbindet. Erzählerisch bewegt Sauer sich durch die Geschichte, traktiert Umbauten ethisch-moralischer Konstrukte und seziert politische Polarisierungen der Gegenwart. Der Philosoph ist überzeugt, dass die tief im Menschen verankerte Moral eine unverzichtbare und kostbare Kategorie ist. Ein kluges Sachbuch, anregend für nachhaltige Debatten, die ein breites Publikum adressieren.
© Piper Verlag
6 | 10 Wie Putins Krieg begreifen? Indem man nachvollzieht, was seinen imperialen Anspruch speist. Dem Streben Polens und der Ukraine nach Unabhängigkeit stehen alte russische Vormachtobsessionen entgegen, die sich bis heute geschichtsverfälschend reaktivieren lassen. Solche "Pfadabhängigkeiten" politischen Denkens und Handelns prägen Putins Imperialismus ebenso wie die an Irrwegen reiche Geschichte der deutschen Orientierung nach Russland. Martin Schulze Wessels Buch bringt brillant die untergründigen Verflechtungen dieser Aspekte zum Vorschein - der grandiose Beitrag eines Historikers zum Verständnis zukunftsprägender Zusammenhänge.
© C. H. Beck
7 | 10 So irritierend vollmundig der Titel, so überzeugend der Inhalt dieses mitreißend geschriebenen Buchs. Selten gelingt es wie hier, persönliche Erlebniswelten und große Linien der Weltpolitik erkenntnisstiftend zu verschränken. Die Geschichte der aus Polen immigrierten Familie des Autors weitet den Blick auf Vorzüge und Lebenslügen der Bundesrepublik, öffnet ihn für Eigenheiten des Ostens und verweist auf die historischen Irrtümer des siegreichen Gesellschaftsmodells. All das produziert Einsichten weit übers Biografische hinaus - für eine Gesellschaft unter hohem Gegenwartsdruck.
© Klett Cotta
8 | 10 Michael Thumann, langjähriger Zeit-Korrespondent in Moskau, warnt eindringlich vor Putin: Der sei besessen von der imperialen Macht der früheren Sowjetunion und wolle nach dem Fall der Berliner Mauer jetzt Revanche. Der Krieg gegen die Ukraine sei ein Krieg gegen die liberalen Demokratien Europas - und damit auch gegen uns. Thumann illustriert diese These mit spannenden Reportagen aus Putins Reich. Zugleich liefert er eine differenzierte Analyse, wie es zum Abstieg Russlands in die Diktatur kommen konnte. Ein großartiges Buch zur jüngsten Zeitgeschichte - glänzend geschrieben.
© C.H. Beck
9 | 10 In dem Buch "Bleibefreiheit" wagt Eva von Redecker etwas Erstaunliches: Sie beginnt, den Begriff "Freiheit" neu zu deuten. Nicht mehr auf eine räumliche, sondern eine zeitliche Dimension. Was immer wir tun, es hat einen Effekt in der Zukunft - von dem Gedanken geht die Philosophin aus und entwickelt eine Denkspur jenseits früherer Klischees, die vielleicht vorläufig, aber mutig ist. Persönlich, aber analytisch und klar stößt Eva von Redecker mit ihrem Buch einen fälligen Diskurs neu an.
© S. Fischer Verlag
10 | 10 Warum China unbedingt als Weltmacht wahrzunehmen und vor allem mitzudenken ist, führt Susanne Weigelin-Schwiedrzik kompetent, aber vor allem nachvollziehbar aus. Die Autorin ist eine Kennerin Chinas - seit fast 50 Jahren besucht sie das Land. Eine geopolitische Ordnung der heutigen Zeit, gerade im Angesicht des Krieges in der Ukraine, müsse China miteinbeziehen - positiv wie negativ. Die Autorin lotet mit Rückgriffen auf die Geschichte aus, wie sich die EU zwischen den USA und China positionieren kann und sollte.
© Brandstätter