Weihnachten in Krisenzeiten - welche Botschaft hat die Kirche?
Krieg in der Ukraine und in Gaza, unsichere Wirtschaftslage, steigende Preise, Debatten über Zuwanderung - Weihnachten steht in diesem Jahr im Zeichen vieler Herausforderungen und Krisen. Wie gehen Menschen dem Fest entgegen?
"Also ich versuche, das weitestgehend auszublenden. Ich will mich einfach auf Weihnachten konzentrieren, möglichst ein schönes Fest haben und einfach die Sorgen weglegen für ein oder zwei Tage", sagt ein Jugendlicher auf dem Weihnachtsmarkt rund um die Marktkirche in Hannover. Ein junges Mädchen wirkt da schon nachdenklicher: "Ich bin sehr dankbar, dass es mir so gut geht - und ich weiß auch, dass ich das wertschätzen muss, dass das so ist." In die Kirche gehen wolle sie aber nicht.
Starke Weihnachts-Botschaft als Predigt-Thema
Gleich neben der Marktkirche hat der evangelische Stadtsuperintendent sein Büro. Rainer Müller-Brandes wird an Heiligabend um Mitternacht in der Marktkirche auf der Kanzel stehen. Was wird er predigen? Natürlich könne man die Krisen nicht ignorieren, sagt der Theologe. Ob es die Integration Geflüchteter sei oder die Klimakrise - jeden Tag seien diese Themen auch in Kirche und Diakonie präsent.
"Ein egal gibt es bei Gott nicht." Stadtsuperintendent Rainer Müller-Brandes
Er wolle da "mitten hinein die starke Botschaft von Weihnachten" predigen, kündigte Müller-Brandes an: "Gott ist es nicht egal. Ich bin ihm nicht egal in meiner Verwundbarkeit. Die Welt ist ihm nicht egal. Deshalb kommt er, stärkt mir den Rücken und sagt: 'Mit dir zusammen will ich es besser machen. Ich will bei Dir sein - ob du schön bist, jung, alt oder gebrechlich. Du bist mir nicht egal.'"
Nur noch jeder Vierte zum Weihnachts-Gottesdienst
Aber wer wird diese Botschaft hören? Die Marktkirchengemeinde habe sich zwar von den Besuchereinbrüchen der Coronazeit wieder erholt, sagt Müller-Brandes, viele andere Gemeinden aber nicht. Dazu passt das Ergebnis einer aktuellen repräsentativen Umfrage des Forschungsinstituts INSA aus Erfurt. Demnach will nur noch jeder Vierte in Deutschland Heiligabend zur Kirche gehen.
Eine Zahl, die der Religionssoziologe Detlef Pollack aber gar nicht so schlecht findet. "Wir haben ja ziemlich genaue Daten über den Gottesdienstbesuch in den letzten 40 bis 50 Jahren. Und eigentlich ist der Gottesdienstbesuch in der ganzen Zeit immer zurückgegangen. Es gibt ein, zwei Ausnahmen, und die eine ist Weihnachten. Wenn also ein Viertel der Deutschen sagen, sie würden zum Weihnachtsgottesdienst gehen, dann sind das Millionen - und das ist keine Kleinigkeit."
Religions-Soziologe: Kirche kann das Potenzial abrufen
Diejenigen, die noch christlich geprägt seien, hätten in Krisen sehr wohl ein Bedürfnis nach Religion, Gebet oder Gemeinschaft, sagt der Soziologe: "Ich könnte mir schon vorstellen, dass dieses Potenzial von den Kirchen auch in diesem Jahr abgerufen werden kann."
Aber für diejenigen, die mit Kirche und Glaube ohnehin nichts am Hut hätten, spielten Krisen keine Rolle - das bringe sie nicht in die Kirche. Und das zeigt: Weihnachten in Krisenzeiten, Sehnsucht nach Frieden: für die Kirchen ist das alles andere als ein Selbstläufer.