Sendedatum: 26.01.2018 | 15:20 Uhr
1 | 10 Die Journalistin Canan Topçu hat Geschichtswissenschaft studiert und sich während ihres Studiums intensiv mit dem Nationalsozialismus auseinandergesetzt: "Die Themen Antisemitismus und Holocaust beschäftigten mich, zogen mich an als Außenseiterin, wie ich mich empfand. Es gibt Muslime, die antisemitisch sind. Wogegen ich mich aber verwehre: Muslim und Antisemit gleichzusetzen. Das nämlich wird, so meine Befürchtung, hierzulande immer mehr zum Common Sense."
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2 | 10 Hakki Arslan ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Islamische Theologie an der Uni Osnabrück: "Der Islam kennt keine theologisch-heilsgeschichtlich begründete Form der Judenfeindschaft, weshalb er nicht per se antisemitisch ist. Bedingt durch den Nahost-Konflikt sind dennoch antisemitische Einstellungen unter den heutigen Muslimen zu beobachten. Deshalb muss hier differenziert werden. Und das versuchen wir am Institut für Islamische Theologie in Osnabrück - sowohl in den texthermeneutischen, als auch in den dialogorientierten Seminaren."
© Hakki Arslan
3 | 10 Antisemitismus ist in Deutschland tief verwurzelt. Auch unter Muslimen ist er verbreitet. In Berlin etwa verbrannten Demonstranten vor einigen Wochen aus Protest gegen Trumps Jerusalem-Entscheidung israelische Flaggen und riefen antisemitische Parolen. Der Bundestag hat vor kurzem beschlossen, einen Antisemitismusbauftragten einzusetzen. Diskutiert wird u.a. auch über verpflichtende Besuche von ehemaligen Konzentrationslagern. Der Zentralrat der Juden in Deutschland appellierte an die muslimischen Verbände, stärker gegen antisemitische Tendenzen in Moscheegemeinden vorzugehen.
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4 | 10 Aiman Mazyek, Vorsitzender des Zentralrates der Muslime:"Rassismus wie auch Antisemitismus ist im Islam eine Sünde. Der Islam ist, richtig praktiziert, antirassistisch. Bedauerlicherweise stellen wir auch fest, dass es unter Muslimen Antisemitismus gibt. Wir wollen nicht nur lamentieren, sondern wir handeln und sensibilisieren unter anderem Flüchtlinge für die Geschichte des Antisemitismus mit Besuchen von KZ-Gedenkstätten. Wir warnen außerdem vor einer Entlastungsdebatte auf Kosten der Muslime."
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5 | 10 Sedat Simsek, Vorsitzender von DITIB-Nord sagt: "Antisemitismus ist ein gesellschaftliches Problem und ist nicht tolarierbar. Wir dürfen Formen der Menschenfeindlichkeit in unserer Gesellschaft keinen Platz geben. Dazu gehört auch, dass wir Muslime uns mehr gegen Antisemitismus in allen Bereichen der Gesellschaft einsetzen."
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6 | 10 Josef Schuster, der Präsident des Zentralrates der Juden, unterstützte die Forderung nach verpflichtenden KZ-Besuchen gegenüber dem Deutschlandfunk: "Schüler der höheren Schulklassen, aber aller Schulgattungen, da halte ich den Besuch einer KZ-Gedenkstätte für absolut wichtig. Der muss allerdings entsprechend vorbereitet sein. Und genau das gleiche gilt auch für Menschen, die neu zu uns kommen. Ich spreche hier konkret von Menschen, die Asyl in Deutschland beantragt haben. Auch hier halte ich es nach einer entsprechenden Vorbereitung für absolut sinnvoll und auch wirkungsvoll."
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7 | 10 Es gibt viele Initiativen gegen Antisemitismus. Dialogforen etwa wie die Muslim Jewish Conference, auf der sich junge muslimische und jüdische Aktivisten aus der ganzen Welt treffen. Ein anderes Beispiel: Burak Yilmaz, Gruppenleiter des Integrationsprojektes "Heroes" in Duisburg, fährt regelmäßig mit jungen Muslimen in das KZ Ausschwitz. Das Anliegen der Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus KIgA: Antisemitismus nicht als Problem nur einer bestimmten Gruppe darzustellen. Hier zu sehen: die von der KIgA konzipierte Wanderausstellung "L’Chaim-Auf das Leben" im Berliner Abgeordnetenhaus.
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8 | 10 Aycan Demirel ist Mitbegründer der Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus KIgA e.V.: "Angesichts des immer wieder eskalierenden Israel-Palästina-Konfliktes und dessen zunehmender religiösen Aufladung, ist es unabdingbar, gezielte Bildungsmaßnahmen in der Jugend- und Erwachsenenbildung in der Breite anzubieten und gesellschaftspolitische Strategien zur Bekämpfung von Antisemitismus zu entwickeln. Dabei ist es unerlässlich, Muslime und muslimische Organisationen nicht als Gegner, sondern als Partner zu verstehen."
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9 | 10 Avraham Yitzhak Radbil ist Rabbiner der Jüdischen Gemeinde in Osnabrück. Besonders wichtig ist ihm der jüdisch-muslimische Dialog - vor allem unter Jugendlichen: "Wenn man an die Beziehung zwischen 'Juden' und 'Muslimen' denkt, hat man leider sehr oft ein Bild der Feindschaft und des Hasses im Kopf. Leider geraten dabei Beispiele für ein gutes Zusammenleben, der gegenseitigen Wertschätzung und des Respektes vollkommen in den Hintergrund und in Vergessenheit. Umso wichtiger ist es, gerade solche Geschichten bekannt zu machen und sie zu veröffentlichen, um der jungen Generation zu zeigen, wie die gegenseitige Beziehung funktionieren kann und soll."
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10 | 10 Ilja Sichrovsky hat das jährlich stattfindende internationale Dialogforum "Muslim Jewish Conference" gegründet. Der Wiener Jude ist überzeugt, dass sich durch die sozialen Medien eine einzigartige Chance bietet: "So führen wir das weiter, was wir von Angesicht zu Angesicht begonnen haben. Und da liegt die Nachhaltigkeit. Die Möglichkeit zu haben, den anderen kennenzulernen, ein Gesicht, eine Geschichte hinzufügen zu können in der eigenen Erfahrung. Und online diese Beziehung nicht nur weiter zu pflegen, sondern gemeinsam Ideen, Projekte und Initiativen zu entwickeln, um diese Dinge umzusetzen."
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