La Tribune Noire: Empowerment für marginalisierte Gruppen
Schwarzes Unternehmertum ist in Deutschland - im Gegensatz zu etwa den USA - noch immer eine Nische. Mit seinem Pop-Up-Store La Tribune Noire will André Cramer aber auch andere marginalisierte Gruppen bestärken.
Er wolle Schwarzes Unternehmertum in den Vordergrund rücken, erklärt André Cramer über einem Malzbier in seinem Pop-Up-Store in der Hamburger Innenstadt. Cramer trägt eine knallige orangefarbene Mütze und einen Pullover mit großen Scheren-Prints während er von seinem Projekt berichtet. Im Mai 2021 hat der Unternehmer La Tribune Noire gegründet - als Plattform für kulturellen Austausch mit Online-Shop. Dank eines Förderprogramms der Hamburger Kreativgesellschaft gegen leerstehende Einzelhandelsflächen kann er sein Konzept nun für einige Monate mitten in der Innenstadt am Alten Wall testen.
Black-Owned-Businesses in Deutschland noch eine Nische
Das Besondere an dem von Cramer geführten Laden: Alle Produkte stammen von Unternehmen, die von People of Colour geführt werden. Während in den USA, in London oder Paris Produkte Schwarzer Unternehmer*innen längst selbstbewusst als solche gelabelt werde und mit Stars wie Oprah Winfrey prominente Fürsprecher*innen haben, führen sie laut Cramer in Deutschland noch eher ein Nischendasein. Historisch ist die Bewegung der Black-Owned-Businesses in den USA in letzten Tagen der Sklaverei vor 1865 entstanden. Und auch heute noch will sie sich gegen Missstände wehren. Denn Schwarze Unternehmer, so Cramer, müssen in einer mehrheitlich weißen Gesellschaft eine Extra-Meile gehen.
Das fange schon im Kindesalter an. Seine Familie komme zum Teil aus dem Senegal. Er selbst sei in der ehemaligen DDR aufgewachsen, gehöre zu den wenigen Schwarzen Menschen, die in Ostdeutschland geboren sind. Es galt nicht aufzufallen, bessere Leistungen zu erbringen als alle anderen. Das habe sich über Schule und Studium bis zu den Bewerbungen hingezogen: "Mit einem nicht deutsch klingenden Namen ist es schwieriger, einen festen Stand in der Berufswelt zu bekommen", so Cramers Erfahrung.
Benachteiligung bei der Vergabe von Krediten
Doch damit nicht genug: Auch bei der Vergabe von Krediten werden Schwarze Menschen - so wie auch andere marginalisierte Gruppen, darunter Frauen - benachteiligt. Während es in den USA daher schon seit Jahrzehnten große Netzwerke von Black-Owned-Businesses gibt, die genau an diesen Stellen ansetzen und zum Beispiel mit Banken kooperieren, kämpfe in Deutschland so gesehen noch jeder für sich selbst. Erst mit der Black-Lives-Matter-Bewegung sei in der deutschen Community ein Bewusstsein dafür entstanden, dass man gemeinsam mehr erreichen könne, erläutert Cramer.
Auch Tahir Della von der Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland begrüßt daher grundsätzlich jeden Vorstoß in diese Richtung - seiner Meinung nach müsse sich die Bewegung in Deutschland aber anders als in anderen Ländern präsentieren. Denn in Deutschland leben nur etwa eine Million schwarze Menschen. Bezirke, in denen sich reihenweise Schwarze Geschäfte ansiedeln wie etwa in den USA, seien hierzulande also undenkbar. Er freue sich aber, wenn Schwarze Menschen bewusst darauf hinweisen, dass sie einen Beitrag für Wirtschaft und Gesellschaft leisten. Denn Ausgrenzung gebe es seiner Erfahrung nach schon genug - gerade auf dem Arbeitsmarkt und bei der Vergabe von Ausbildungsplätzen. Della betont jedoch auch, dass die Bewegung nicht gesellschaftliche Missstände lösen könne. Barrieren, die in der Gesellschaft für Schwarze Menschen existieren, müssen abgebaut werden. Er wünscht sich gleiche Chancen für alle, unabhängig welcher angenommenen oder tatsächlichen Herkunft. Dazu könne eine Black-Owned-Business-Struktur seiner Meinung nach im Optimalfall beitragen.
Empowerment für marginalisierte Gruppen
Cramer berichtet von viel positivem Feedback, das ihn in seinem Store erreiche. "Die meisten Menschen können mit dem Begriff Schwarzes Unternehmertum erstmal nichts anfangen." Doch die Ästhetik mache sie neugierig. Gerade andere marginalisierte Gruppen hätten viel Verständnis für die Herausforderungen und Erfahrungen der Community. Neben der Sichtbarkeit möchte Cramer die Produkte moderner und populärer präsentieren. 26 Jahre lang hat er als Vertriebsleiter in der Modebranche gearbeitet und bringt entsprechende Expertise mit. Er hat hauptsächlich hochwertige Produkte kuratiert, oft von kleinen Unternehmen mit einer sozialen Dimension. Sie sollen Kreativität, Lifestyle und schönes Design verbinden.
Neben hochwertiger Mode finden sich beispielsweise afrikanische Gewürzmischungen oder in Ghana handgefertige Bio-Stoffpuppen, die verschiedene Hautfarben haben. Denn laut den Machern der diversen Puppen sind 95% aller Kinderpuppen auf dem weltweiten Spielzeugmarkt weiß. Gleichzeitig sollen bei diesem Produkt durch fairen Handel auch vor Ort junge Frauen empowert werden. Ein weiterer wichtiger Grundgedanke vieler sogenannter Black-Ownes-Businesses.
Viele Vorurteile gegenüber Schwarzem Unternehmertum
Store-Betreiber Cramer hofft, dass er mit seinem Konzept für mehr Vernetzung in der Community sorgt, aber auch nach außen ein Zeichen sendet: "Es gibt gewisse Lifestyle-Branchen und -Bereiche, wo Schwarze Menschen von der Gesellschaft einkategorisiert werden. Es ist nichts Außergewöhnliches, einen Schwarzen Sportler, Pop-Musiker oder Tänzer zu sehen." Doch schaue man in die Führungsetagen von deutschen Modelabels etwa, so zeige sich ein anderes Bild.
Wieso solle es keine Schwarzen Unternehmer geben, fragt Cramer, der sich in diesem Kontext schon mit vielen Vorurteilen auseinander setzen musste. Etwa, dass Schwarze Unternehmer vermeintlich nur für Schwarze Kunden produzieren würden. Das sei in einem Markt wie Deutschland aus ökonomischen Gründen aber absolut unsinnig. Wo genau die Reise von La Tribune Noire in den kommenden Wochen hingeht, ist aktuell noch völlig offen. Denn Ende des Jahres läuft die Aktion der Kreativgesellschaft aus und Cramer muss sich dann neue Räumlichkeiten suchen., um seine Vision von Schwarzem Unternehmertum in Deutschland weiter zu pushen.