Spanische Kanzlei: Strache-Aufnahme wohl rechtens
Das heimlich mitgefilmte Gespräch auf Ibiza, in dem der österreichische FPÖ-Politiker Strache einer angeblichen russischen Investorin Bauaufträge als Gegenleistung für mediale Meinungsmache versprach, hat zum Ende der österreichischen Regierung geführt. Doch war der Mitschnitt nach spanischem Recht legal? Wir haben bei der Kanzlei Balder in Madrid nachgefragt. Sie kommt zu dem Schluss, dass die Aufnahme und Veröffentlichung in diesem Fall auch nach spanischem Recht erlaubt war. Die Beurteilung im Detail.
"Sehr geehrter Damen und Herren,
hiermit möchten wir auf Ihre Anfrage zurückkommen. In Spanien ist das Recht auf Schutz der Persönlichkeit einer Person vor Eingriffen in ihrem Lebens- und Freiheitsbereich (Recht auf Ehre, Privatsphäre und das eigene Bild) in der spanischen Verfassung (Constitución Española) verankert, konkret im Artikel 18. Dieses Recht wird ausdrücklich im Organgesetzes 1/1982 vom 5. Mai geregelt (Ley Orgánica 1/1982, de 5 de mayo, de protección civil del derecho al honor, a la intimidad personal y familiar y a la propia imagen; Organgesetz zum Zivilschutz des Rechts auf Ehre, auf persönliche und familiäre Privatsphäre und am eigenen Bild).
Eine Privatperson mit einer versteckten Kamera an einem privaten Ort ohne ihre Zustimmung zu filmen (inklusive Tonaufnahme), stellt nach Artikel 7 besagten Organgesetzes 1/1982 eine widerrechtliche Einmischung dar. Allerdings besteht nach Artikel 8 Absatz 2 desselben Gesetzes eine Ausnahme dieser Regel in Bezug auf das Bild von Personen, wenn es sich um Personen handelt, die ein öffentliches Amt oder einen Beruf mit Bekanntheitsgrad oder öffentlicher Projektion ausüben und das Bild während eines öffentlichen Ereignisses oder an öffentlich zugänglichen Orten aufgenommen wird.
In dem vorliegenden Fall gilt diese Ausnahme in Bezug auf die Aufnahme von Bildern der österreichischen Politiker jedoch nicht, da die Aufzeichnung in einer privaten Umgebung erfolgte. Zu beachten ist weiter, dass die Aufnahme von Videos (Bild und Ton) ohne Zustimmung einer Person, zum Zwecke der Enthüllung von Geheimnissen oder des Verstoßes ihrer Privatsphäre, eine Straftat nach Artikel 197 des spanischen Strafgesetzbuches darstellen kann.
Dieses Grundrecht auf Ehre, Privatsphäre und das eigene Bild muss jedoch gegen das Recht auf freie Übermittlung wahrheitsgemäßer Informationen abgewogen werden, das ebenfalls in der spanischen Verfassung verankert ist, nämlich im Artikel 20 Absatz 1 Buchstabe d). Nach der Auffassung des Verfassungsgerichts hat das letztgenannte Recht als Mittel zur Meinungsbildung in Angelegenheiten von allgemeinem Interesse Vorrang, sofern zwei grundlegende Voraussetzungen erfüllt sind:
- a. dass die übermittelten Informationen wahrheitsgemäß sind
- b. dass sich diese Informationen auf Angelegenheiten von allgemeinem Interesse oder von öffentlicher Relevanz beziehen.
Ebenfalls wichtig ist, dass es keine andere, weniger verletzende Mittel gibt, um an die Information zu gelangen. Der Schutz dieses Rechts erreicht ein Höchstmaß, wenn die Freiheit von "Informationsexperten" ausgeübt wird, nämlich durch die Presse (im weitesten Sinn), die zur Bildung der öffentlichen Meinung unerlässlich ist.
Es ist auch die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs, dass Informationen über Ereignisse von strafrechtlicher Relevanz (wie möglicherweise im vorliegenden Fall) von allgemeinem Interesse und von öffentlicher Relevanz sind. Dies ist insbesondere so, wenn die Beteiligten den Status von Behörden oder Beamten haben und die offenbarten Fakten sich direkt auf die Ausübung öffentlicher Aufgaben beziehen.
Im vorliegenden Fall sind wir der Ansicht, dass alle oben genannten Voraussetzungen erfüllt sind, sodass kein Verstoß gegen das Recht auf Schutz der Persönlichkeit einer Person vor Eingriffen in ihrem Lebens- und Freiheitsbereich gegeben ist.
Das Video zeigt zwei Politiker, die sich über das Begehen einer möglichen Handlung äußern, die in direktem Zusammenhang mit der Ausübung ihrer öffentlichen Aufgaben steht und möglicherweise als eine Straftat (Korruption) einzustufen ist.
So ist es durchaus möglich, dass ein spanisches Gericht die Handlungen des Journalisten für gerechtfertigt hält, weil er solche Handlungen für die Ausübung seines Rechts auf Informationsfreiheit vornehmen muss.
Diese Art von Fall, in dem zwei Grundrechte aufeinandertreffen, erfordert jedoch eine Abwägung, die der Richter letztlich von Fall zu Fall selbst vornimmt. In diesem Zusammenhang wird der Richter angesichts des besonders aufdringlichen Charakters einer Aufzeichnung von Bildern und Tönen, die durch den Einsatz versteckter Kameras gewonnen wurden, sowie seines irreführenden Charakters, der verhindert, dass die aufgezeichnete Person von ihrer legitimen Befugnis zum Ausschluss von einer solchen Aufzeichnung Gebrauch macht, nur dann eine Rechtfertigung für die Verwendung einer versteckten Kamera finden, wenn es keine anderen, weniger aufdringlichen Mittel gibt, mit denen die Informationen hätten gewonnen werden können. Und in diesem Fall hat es möglicherweise keine solche anderen Mittel gegeben.
Unsere Antwort gilt übrigens im Prinzip auch dann, wenn die Hersteller des Videos keine Journalisten waren.
Trotzdem gilt, wie bereits erwähnt, der Schutz des Rechts auf freie Übermittlung wahrheitsgemäßer Informationen im besonderen Maße, wenn diese Freiheit von Informationsexperten oder Journalisten ausgeübt wird. Daher könnte es sein, dass, wenn ein Richter eine Abwägung zwischen den zwei Grundrechten vornehmen muss, er den Einsatz versteckter Kameras nicht für gerechtfertigt hält, wenn die Ersteller des Videos keine Journalisten sind. Das spanische Verfassungsgericht hat seit seiner Entscheidung im Urteil Nr. 12/2012 vom 30. Januar 2012 den Einsatz von versteckten Kameras nur in sehr restriktiver Weise erlaubt.
Wir hoffen, hiermit Ihre Frage beantwortet zu haben."