Strache-Video: Was dürfen Journalisten?
Heinz-Christian Strache hat gerade erst seinen Rücktritt als österreichischer Vizekanzler und FPÖ-Chef erklärt - da geht der Politiker auch schon zum Gegenangriff über: "Es erscheint mir wichtig, zu betonen, dass mit diesen geheimen Bild- und Tonaufzeichnungen mehrfach strafgesetzliche Vorschriften verletzt worden sind." Und Strache geht noch einen Schritt weiter: "Genauso wurde verstoßen gegen den Ehrenkodex der Presse, die journalistische Sorgfaltspflicht und die Berufsethik."
Der Politiker vermischt seine Kritik an den Urhebern des Ibiza-Videos mit einem Angriff auf die Journalisten, die es veröffentlicht haben. Mit seiner Behauptung, die Aufnahmen von Ibiza seien illegal gewesen, mag Strache Recht haben. Seine Vorwürfe gegen die Presse hingegen sind haltlos.
Veröffentlichung legitim
Der Medienrechtler Michael Fricke stellt mit Blick auf die Veröffentlichung der Ausschnitte aus dem Ibiza-Video klar: "Das ist weder rechtlich unzulässig noch ist es journalistisch unethisch - im Gegenteil." Denn die Journalisten der "Süddeutschen Zeitung" und des "Spiegel" haben sorgfältig überprüft, ob die Aufnahmen echt sind und nicht manipuliert wurden. Sie haben alle wesentlichen Informationen gegenrecherchiert. Und sie haben Strache und seinem ebenfalls gefilmten Parteifreund Johann Gudenus Gelegenheit gegeben, vor der Veröffentlichung zu ihren Aussagen in dem Video Stellung zu nehmen.
"Das ist ja die journalistische Sorgfaltspflicht", sagt Michael Fricke. Er könne da keinen Verstoß feststellen. Vor allem aber - und das sei das Wichtigste, so Fricke - decke das Material Missstände auf: Dann darf die Presse es veröffentlichen."
Heimliche Aufnahmen auch nach spanischem Recht problematisch
Das gilt selbst dann, wenn die Aufnahmen auf illegale Weise zustande gekommen sind. Bei dem Ibiza-Video ist das zumindest wahrscheinlich. Denn das heimliche Anfertigen von Gesprächsmitschnitten ist in Deutschland verboten; auch versteckte Kameras sind nur in Ausnahmefällen zulässig.
ZAPP hat Juristen der spanisch-deutschen Kanzlei "Balder" gebeten, einzuschätzen, wie die Herstellung der heimlichen Aufnahmen auf Ibiza nach spanischem Recht zu bewert sei. Die Juristen betonen: Auch in Spanien sind versteckte Kameras und heimliche Aufnahmen nur in sehr restriktiver Weise erlaubt. Der Grund hierfür sei das Recht am eigenen Bild sowie auf "Ehre und Privatsphäre".
Dieses Grundrecht müsse jedoch abgewogen werden gegen das ebenfalls in der Verfassung verankerte Recht auf "freie Übermittlung wahrheitsgemäßer Informationen". Diese Abwägung müsse im Einzelfall ein Gericht vornehmen. Wichtig für eine solche Entscheidung eines Gerichts sei, ob die in dem Video übermittelten Informationen
- a) wahrheitsgemäß seien und dass sie sich
- b) auf Angelegenheiten von allgemeinem Interesse und von öffentlicher Relevanz beziehen.
Bei dem Ibiza-Video vertritt die Kanzlei die Ansicht, dass diese Voraussetzungen erfüllt sind (rechtliche Einschätzung der Kanzlei Balder).
Ob Journalisten solches Material trotzdem verwenden dürfen, muss je nach Einzelfall entschieden werden. "Es muss abgewogen werden", sagt Fricke: "Zwischen dem Eingriff - also hier der möglichen Verletzung von Persönlichkeitsrechten - und der Qualität dessen, was aufgedeckt wird. Je gravierender die Verfehlung, desto eher darf man auch rechtsverletzendes Material verwenden. Persönlichkeitsrechte von Betroffenen treten in diesem Fall dahinter zurück."
Aus diesem Grund haben "Süddeutsche Zeitung" und "Spiegel" auch nur Ausschnitte aus den insgesamt angeblich mehr als sechs Stunden Videomaterial veröffentlicht: eben die Passagen, die von öffentlichem Interesse sind. Dementsprechend ist die Veröffentlichung des Videos auch weitgehend unumstritten: Dass ein Spitzenpolitiker durch seine eigenen Aussagen den Eindruck erweckt, er und seine Partei seien käuflich, ist schließlich ein gravierender Verstoß.
Hinweis der Redaktion: Die Passage zur rechtlichen Lage in Spanien haben wir nach Erhalt der Einschätzung der Kanzlei "Balder" präzisiert.