Rundfunk mit Steuern: Gefahr des Staatsfunks
Praktisch in allen Ländern Europas wird darüber gestritten: die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Vielen Menschen ist der Beitrag zu hoch, sie wollen ihn am liebsten gar nicht mehr zahlen. An diesem Donnerstag wollen deshalb in Deutschland die Bundesländer ein neues Finanzierungsmodell diskutieren, das den Beitrag für immer auf der aktuellen Höhe einfrieren soll. Nur die Inflation würde dann noch ausgeglichen. Wird das die Deutschen wieder zu begeisterten Beitragszahlern machen? Unklar.
Schweden stellt auf Finanzierung aus Steuern um
Eine andere Idee, die Finanzierung wieder auf sichere Füße zu stellen, wird gerade im Nachbarland Schweden ausprobiert: Dort will das Parlament bis Ende des Jahres ein Gesetz verabschieden, mit der das System auf Steuern umgestellt wird. Dann wird der dortige Sender SVT in Zukunft aus dem Staatshaushalt bezahlt. Damit liegt Schweden im europäischen Trend: Fast ein Drittel der europäischen Länder finanzieren ihre öffentlichen Rundfunkanstalten heute aus Steuern. Und fünf weitere – neben Schweden sind das Norwegen, Dänemark, Österreich und Polen – diskutieren, ob sie diesen Schritt gehen sollen oder haben ihn bereits beschlossen.
Steuerfinanzierung klingt gerechter, ist aber gefährlich
Die Begründung ist überall ähnlich und klingt erst einmal überzeugend: Steuern wirken gerechter als Gebühren oder eine Haushaltsabgabe, die jeder zahlen muss, ganz gleich, wie viel er verdient. Außerdem werden sie ohnehin erhoben. Man bräuchte nicht mehr Einrichtungen wie früher die GEZ, um die Gelder einzutreiben und zu verteilen. Die Nachteile liegen für Medienexperten wie Otfried Jarren, Professor an der Universität Zürich, aber auch auf der Hand: Wenn die Politik das Geld aus ihrem eigenen Haushalt zuweist, kann sie stark Einfluss nehmen. Was das im Extremfall bedeuten kann, erleben die Menschen in Ungarn: Dort haben die Rechtspopulisten bewirkt, dass inzwischen alle kritischen Journalisten die öffentlichen Sender verlassen haben.
Rundfunk in Europa unter Dauerbeschuss
Und so überrascht es nicht, dass vor allem Länder dieses Modell diskutieren oder einführen wollen, in denen Rechtspopulisten mächtig sind. Es passe, findet auch Medienexperte Jarren, doch genau zu der Strategie, die Rechtspopulisten in ganz Europa verfolgten. Erst die Institutionen so lange angreifen, bis sie üble Fehler machten – und dann könne man sie "übernehmen".
Staatsfunk statt Rundfunk
Tatsächlich setzen die Rechtspopulisten den öffentlichen Rundfunk überall unter Dauerbeschuss. In Österreich geißelte der neue Vizekanzler Christian Strache (FPÖ) den ORF als Ort der Lügen. In Dänemark stutzen Neoliberale und Rechtspopulisten den Rundfunk um 20 Prozent, sodass hunderte ihre Jobs verlieren werden. Der Sender brauche, wie es Kultusministerin Mette Bock ausdrückte, diese "brennende Plattform", um sich endlich auf seine Kernkompetenzen zu konzentrieren. In Ungarn dagegen wird schon lange nicht mehr gedroht oder entlassen. Das ist nicht mehr nötig. MTVA unterstützt den Ministerpräsidenten Viktor Orbán inzwischen so so sehr, dass Beobachter tatsächlich von einem Staatsfunk sprechen.