Neuverleger der "Berliner Zeitung" in der Kritik
Brigitte Fehrle kennt sich aus, sowohl mit der "Berliner Zeitung" als auch mit Krisenkommunikation. Vier Jahre, bis Herbst 2016, war sie Chefredakteurin der Zeitung, die einst Organ der SED war. Zuletzt hat sie für den "Spiegel" die Relotius-Affäre aufgearbeitet. "Man muss die Hoheit über die Abläufe und die Deutungshoheit über die Inhalte haben", sagt sie. In ihrem alten Verlag sei nun beides "schiefgegangen". Die Redaktion sei "immer nur der reaktive Part und konnte an keinem Punkt aktiv handeln, mit offenem Visier und selbstbewusst mit dieser Situation umgehen".
Tatsächlich tragen erstaunlich viele Berichte den Zusatz "In eigener Sache". Zum Bericht auf der Titelseite über eine "Ostdeutsche Erfolgsstory in der Medizin" heißt es: Ja, dieser Tipp kam direkt vom Verleger. Man werde künftig für Transparenz sorgen. Dass er selbst Aktien am Unternehmen hielt und im Aufsichtsrat der Biotech-Firma saß, erfuhren die Leserinnen und Leser der Zeitung immerhin nicht. Und dass er selbst eine Vergangenheit als Stasi-Spitzel hatte: Friedrich nutzte sein Blatt, um Antworten zur Enthüllung der "Welt am Sonntag" zu platzieren, statt sie erst mal den anfragenden Rechercheuren zu schicken.
Fund der Stasi-Akte hat die Rechercheure überrascht
"Damit hat er seine Redaktion zur Geisel seiner eigenen Geschichte gemacht", mahnt Uwe Müller. Er hatte die Akte bei der Stasiunterlagenbehörde angefordert und so einen Treffer gelandet. "Es ist aber eine Geschichte von ihm. Die liegt lange, bevor er Verleger geworden ist." Dass sie überhaupt auf so einen unbekannten dunklen Schatten der Vergangenheit stoßen konnten, habe sie überrascht, sagt Müllers Kollege Christian Meier: "Ich hätte nicht gedacht, dass sich jemand einen Verlag kauft und dann, wenn er seine Motive erklärt, das nicht auch thematisiert, nach vorne heraus zu sagen, ich habe auch eine Vergangenheit - gerade bei einem Berliner Verlag."
Friedrich wollte sich nicht auf ein Interview mit ZAPP einlassen – vorerst zumindest: Er wolle erst mal seine eigene Akte studieren und dabei vor allem auch den sogenannten Opferteil, in dem es darum geht, dass die Stasi ihn ebenfalls bespitzeln ließ. Mit der "Zeit" führte er über seine Tätigkeit als "Inoffizieller Mitarbeiter" der Stasi bereits ein Interview, gab es aber nicht frei. Nur in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" äußerte er sich bislang oberflächlich dazu, zusammen mit seiner Frau Silke Friedrich. Eine Aussage: Sie hätten den richtigen Zeitpunkt abgewartet. Vor dem Zuschlag für den Verlag wäre nicht der richtige gewesen. "Dann würden wir nicht hier sitzen."
Stasi-Akte belegt: Holger Friedrich wurde erpresst
In seiner eigenen Zeitung argumentierte Friedrich wiederum, er habe bei der Stasi nur "aus Zwang" mitgemacht, in einer "Notsituation". Ein Täterteil seiner Akte stützt diese Version: Seine Führungsoffiziere hielten Ermittlungen wegen des Verdachts auf Fahnenflucht fest und dass sie ihn "auf Grundlage der Wiedergutmachung seiner strafbaren Handlungen kontaktiert" hätten. Außerdem hielten sie ihm vor, dass er all jenen, die aus der DDR flüchten wollten, längere Haftstrafen ersparen würde, wenn er sie vor dem eigentlichen Fluchtversuch melden würde. Nach etwa einjähriger Kooperation hat Friedrich laut Akte zudem selbst die Zusammenarbeit abgebrochen.
Im Verlag in Berlin-Kreuzberg kümmert sich inzwischen Michael Maier um die Geschäfte. In den Neunzigern war er selbst Chefredakteur der "Berliner Zeitung". Die Friedrichs haben ihn als Herausgeber und Geschäftsführer installiert. Zur Vergangenheit seines Eigentümers sagt er, man müsse auch die Lebensleistung nach der Wende mit betrachten. Dort stünden ein Jahr Spitzel-Tätigkeit in der DDR nun 30 Jahren im wiedervereinigten Deutschland gegenüber. Die Redaktion werde das Kapitel aber zusammen mit Experten aufarbeiten.
"Es ist niemand als Verleger geboren", sagt Maier zu den Kommunikationspannen. Das alles sei in Zeiten des Umbruchs passiert, als der bisherige Verlag DuMont gerade rausgewesen sei aus der "Berliner Zeitung" und die Friedrichs gerade eingestiegen. Vor allem Holger Friedrich müsse das neue Geschäft lernen. "Einem Jungverleger muss man zugestehen, dass man sagt: Du kannst hier eben nicht einfach PR-Artikel platzieren oder ein Gefälligkeitsding. Das gibt's nicht. Ende."
Unabhängigkeit für "Berliner Zeitung" durch eine Stiftung?
Die Redaktion arbeitet unterdessen an einem Redaktionsstatut. Es soll nicht zuletzt die Frage klären, wann und in welcher Form die Verleger im Blatt auftauchen dürfen. Brigitte Fehrle, die frühere Chefredakteurin, schlägt wiederum vor, die Redaktion in eine Stiftung zu überführen: "Ich glaube, das ist der einzige Weg, wie die 'Berliner Zeitung' aus diesem ganzen Dilemma mit wechselnden Eigentümern herauskommen kann, die alle immer nur ihre eigenen persönlichen Interessen verfolgt haben."
Die Friedrichs, nur die Geldgeber? Herausgeber Michael Maier ist kein Fan dieser Idee. "Es hat einfach mit einer freien Marktwirtschaft nichts zu tun", sagt er gegenüber ZAPP. "Wenn jemand eine Zeitung kauft und sagt, ich glaube an dieses Unternehmen und bin bereit, mein eigenes Geld zu investieren, dann muss er natürlich die Freiheit haben, auch zu entscheiden oder nicht." So viel ist damit klar: Silke und Holger Friedrich werden weiter ihre eigenen Vorstellungen durchsetzen.