Stand: 04.10.2016 18:20 Uhr

Medien-Coup: Der "Neues Deutschland"-Fake

Am 19. März 1988 trauten viele DDR-Bürger ihren Augen nicht. "Neuer Glas-Klar-Kurs der SED begeistert die Massen", titelt "Neues Deutschland". Atomkraftwerke werden abgeschafft und Oberhetzer Karl-Eduard von Schnitzler wird ins albanische Exil geschickt. Eine Sensationsmeldung jagt die nächste: DDR wird Einkaufsparadies mit Weltniveau, westdeutsche Arbeitslose finden ihr Auskommen in der Volkswirtschaft und - als Höhepunkt - Katarina Witt veröffentlicht Nacktfotos. Die DDR öffnet sich anscheinend in allen Bereichen. Kann das wahr sein?

Zeitungs-Fake als Denkanstoß

Natürlich nicht. Diese Sonderausgabe des "Neuen Deutschlands" war ein Fake, der medienwirksame Coup des Hamburger Zeitgeistmagazins "Tempo". "Es war die Zeit von Glasnost, Perestroika. Es war klar, dass in Russland bereits das System korrodierte, dass überall große Freiheitsbewegungen waren. Und der einzige Staat, der noch geschlossen als Block dastand und überhaupt nichts zuließ im eigenen Staat, war die DDR", so der damalige "Tempo"-Chefredakteur Markus Peichl heute, der mit dem gefälschten "Neuen Deutschland" nicht nur einen schnellen Lacher, sondern einen ernsthaften Denkanstoß liefern wollte.

Viele Vorhersagen wurden später wahr

Mehrere tausend Exemplare wurden gedruckt und in die DDR geschmuggelt. Doch nicht alle kommen bei den DDR-Bürgern an, denn die Stasi war durch Informanten alarmiert und versuchte, die gefälschten Zeitungen schon an der Grenze abzufangen. Interessante Pointe der Geschichte: Viele Ankündigungen im falschen "Neuen Deutschland" werden später wahr - Kati Witt zog sich aus, die Ost-AKWs wurden abgeschaltet und sogar der Mauerfall wurde vorhergesagt.

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ZAPP | 04.10.2017 | 23:20 Uhr

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