Mathias Döpfner und der BDZV: Geht die Rechnung auf?
Aus den Reihen des BDZV-Präsidiums kommt nach der Entscheidung, die Arbeit mit Mathias Döpfner als Vorsitzenden fortzusetzen, vor allem Schweigen. Ist jetzt alle Kritik vergessen?
Die Frage drängte sich wohl allen Medienjournalisten und -journalistinnen in ganz Deutschland auf: Warum hat das Präsidium des Bundesverbands Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) Mathias Döpfner als Vorsitzenden des Verbandes bestätigt? Denn in den Wochen zuvor hatte es aus Verbandskreisen viel öffentliche Kritik gegeben für eine publik gewordene Whatsapp-Nachricht Döpfners, in der er Journalistinnen und Journalisten in Deutschland als "Propaganda-Assistenten" schmähte. Harte Worte, die schließlich auch all jene betrafen, die für die Zeitungen arbeiten, die Döpfner im BDZV als Vorsitzender vertritt. Und einzelne BDZV-Mitglieder, wie Carsten Lohmann vom "Mindener Tageblatt", bezeichneten ihn sogar öffentlich als "nicht mehr haltbar" für den Verband.
Das große Schweigen des BDZV
ZAPP hat in den vergangenen Tagen versucht, mit den Präsidiumsmitgliedern ins Gespräch zu kommen und um Kommentare zur Entscheidung gebeten. Doch nur zwei Verlagschefs waren bereit, zu sprechen. Andere Präsidiumsmitglieder ließen über ihre Sprecher eine Absage erteilen oder meldeten sich bis zur Veröffentlichung dieses Textes gar nicht zurück. Das überrascht, denn im Vorfeld hatten sich sowohl Madsack-Chef Thomas Düffert als auch Funke-Geschäftsführer Christoph Rüth - beide Präsidiumsmitglieder - öffentlich sehr kritisch über die Personalie Döpfner geäußert. Jetzt herrscht großes Schweigen. Nur zwei BDZV-Präsidiumsmitglieder, David Koopmann, Vorstand der Bremer Tageszeitungen AG, sowie Jochen Anderweit, Geschäftsführer der "Grafschafter Nachrichten" und neuestes Mitglied im Präsidium, haben sich im Gespräch mit "ZAPP" auch öffentlich zur Bestätigung Döpfners geäußert. Und beide äußern ausschließlich Zustimmung.
Zur Stimmung: kein Kommentar
"Ich begrüße die Entscheidung sehr", erklärt Koopmann. "Wir sind der Meinung, dass das, was er gemacht hat, privat ist, dass er sich davon distanziert hat und dass wir ihn so nicht kennen, also nicht davon wüssten, dass er ähnliches mal geäußert hatte wie in dieser Nachricht." Daher habe man die Entschuldigung Döpfners angenommen. Aus Sicht Koopmanns seien die privaten Äußerungen Döpfners kein Grund, seinen Rücktritt zu fordern. Schließlich habe man sich vor einem Jahr einstimmig für ihn entschieden. Und auch bei der Entscheidung am Mittwoch habe es Koopmann zufolge "eine große Einigkeit" gegeben.
Wie die Stimmung vor Ort gewesen sei, dazu möchte Koopmann auf Nachfrage von ZAPP aber nichts sagen. Stattdessen argumentiert er mit den Leistungen Döpfners: Der BDZV habe sich in seiner Amtszeit positiv weiterentwickelt, etwa indem er sich digitalen Publishern geöffnet habe, sich stark gemacht habe für das Leistungsschutzrecht und die Zustellungsförderung. Döpfner habe in Berlin und Brüssel "für uns gearbeitet", sagt Koopmann.
Präsidiumsmitglied Anderweit: "Das kam von Herzen"
Auch Jochen Anderweit, Verleger der "Grafschafter Nachrichten" sowie Vorsitzender des Verbandes Nordwestdeutscher Zeitungsverlage und Digitalpublisher (VNZV), äußert Zustimmung. Im Gespräch mit ZAPP betont er, Döpfner habe sich "nochmal offen entschuldigt, und das kam von Herzen, das glaube ich ihm. Warum sollte er also nicht unser Präsident bleiben?" Darüber hinaus erklärt er: "Ich möchte dieses Nachtragende in unserer Gesellschaft überwinden und finde das Thema ist jetzt abgehakt. Jeder hat seine Meinung zu dem Thema gesagt."
Auch den schärfsten Döpfner-Kritiker außerhalb des Präsidiums, Carsten Lohmann ("Mindener Tageblatt") hat ZAPP angefragt. Die Rückmeldung ist unerwartet kurz: "Ich respektiere die Entscheidung und werde mich nicht weiter dazu äußern." Warum, dazu will Lohmann sich nicht öffentlich erklären.
Alleinstellungsmerkmal: Döpfners Netzwerk?
Es ist offenbar vor allem Döpfners Netzwerk und dessen Lobbyarbeit bei Politik und Tech-Konzernen, die den Vorstandsvorsitzenden im Amt halten. Auf Basis des neuen Leistungsschutzrechts schließt Google neuerdings, seit Mitte November, erste Verträge mit Verlagen ab - ein Ergebnis der erfolgreichen Lobbyarbeit Döpfners. Liegt der Entscheidung pro Döpfner also eine pragmatische Kosten-Nutzen-Rechnung zugrunde? Aus ökonomischer Sicht bleibt der Springer-Chef, der sich mit seinem Medienkonzern immer stärker aufs internationale Parkett wagt, eine wohl nachvollziehbare Wahl. Zudem stellt sich noch eine wichtige Frage: wenn nicht er, wer dann? So leicht ließe sich in der deutschen Medienlandschaft wohl kein zweiter finden, der über das Netzwerk, die Erfahrung und den Einfluss Döpfners verfügt. Seine Ziele sind hoch gesteckt: Springer will, so steht es auf der Webseite des Unternehmens, zum "Weltmarktführer im digitalen Journalismus und bei den digitalen Rubriken" werden. Auch die Mitglieder des BDZV stecken im digitalen Transformationsprozess. Da scheint wohl ein Mann an der Spitze, der sich fast schon aggressiv ambitioniert zeigt, nützlich. Selbstredend auch in seiner Funktion als gemeinsamer Sprecher des Verbandes.
Erfolgreiche Lobbyarbeit im "DDR-Obrigkeitsstaat"?
Der BDZV hat sich also für den Vorsitzenden Döpfner entschieden, von dem man sich die besten Chancen bei der Politik erwartet. Aber wie erfolgreich kann ein BDZV-Vorsitzender wirklich noch Lobby-Arbeit betreiben, der in seiner privaten Nachricht nicht nur Journalisten und Journalistinnen diskreditierte, sondern auch - laut Döpfner ironisch - von einem "neuen DDR-Obrigkeitsstaat" in Deutschland sprach? Es bleibt abzuwarten, ob Politiker und Politikerinnen diese Äußerung tatsächlich ebenso schnell wie die BDZV-Präsidiumsmitglieder vergessen wollen und Döpfners "inhaltliche Distanzierung und ausdrückliche Entschuldigung" akzeptieren.