Mathias Döpfner bleibt BDZV-Vorstandschef
Springer-Chef Mathias Döpfner bleibt Vorsitzender des Bundesverbands Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV). In einer Sitzung stand heute seine Personalie auf dem Prüfstand.
Gut drei Stunden hat das Präsidium des Bundesverbands Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) gebraucht, um sich darüber einig zu werden, ob es dem Vorstandsvorsitzenden Mathias Döpfner den Rücken stärkt - oder ihn schasst. Nichts sickerte durch. In einem schriftlichen Statement verkündet der BDZV am späten Nachmittag schließlich: "Nach einer eingehenden Diskussion haben die Präsidiumsmitglieder Döpfners Erläuterungen und Argumente mit großer Mehrheit für stimmig befunden und seine Bitte um Entschuldigung akzeptiert."
Das war keine Selbstverständlichkeit. Im Zuge neuer Entwicklungen und Recherchen rund um die Axel-Springer SE war auch Konzernchef Mathias Döpfner wegen einer privaten SMS in die Kritik geraten. In einem Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" hatte er sogar gesagt, er sei bereit für einen Rücktritt als BDZV-Vorsitzender, sollte sich die Mehrheit der BDZV-Mitglieder dafür aussprechen. Einige Präsidiumsmitglieder, unter anderem der Geschäftsführer der Funke Mediengruppe, Christoph Rüth, sowie Madsack-Geschäftsführer Thomas Düffert, hatten ihrem Unmut über Döpfner und dessen Äußerungen im Vorfeld der Präsidiumssitzung Luft gemacht. Und auch außerhalb des Präsidiums gab es Kritik: So bezeichnete der Geschäftsführer des Bruns-Verlags ("Mindener Tageblatt"), Carsten Lohmann, in einem Interview mit dem Deutschlandfunk Döpfner als Verbandspräsidenten als "nicht mehr haltbar".
"Formulierungen seien selbstverständlich inakzeptabel"
Wie heftig auf der wegen Corona nur digital stattfindenden Sitzung nun über die Personalie Döpfner diskutiert wurde, wie intensiv dieser selbst für sich warb und ob jemand sich gegen ihn aussprach, das beantwortet zu diesem Zeitpunkt aber selbst der Sprecher nicht. Anders als üblich waren bei dieser Sitzung selbst Vertreter der Geschäftsstelle ausgeladen. Damit sich jeder seinen Ärger von der Seele reden könne, heißt es intern. ZAPP hat alle Präsidiumsmitglieder für ein Statement angefragt. Bislang hat sich niemand geäußert. Ein zuvor für heute vereinbartes Interview mit dem BDZV war kurzfristig wieder abgesagt worden, mit Verweis auf das schriftliche Statement. "Es sei unstreitig, dass die Diskussion über angebliche Haltungen und Standpunkte des Präsidenten dem Verband nicht gut getan hätten", heißt es darin vom Gremium. "Die Formulierungen in der privaten Textnachricht seien selbstverständlich inakzeptabel und das Präsidium bekannte sich einmütig zu unabhängigem Journalismus, Presse- und Meinungsfreiheit." Dies stelle nach einer "konstruktiven Diskussion aber keinen Grund dar, die sehr erfolgreiche Arbeit des Präsidiums in den vergangenen Jahren in Frage zu stellen." In der Pressemitteilung heißt es weiter, das Präsidium wolle "an Konzepten und Ansätzen zur weiteren Modernisierung des Verbands arbeiten." Darüber solle auf einer Delegiertenversammlung, dem obersten Beschlussgremium des BDZV, bereits im Frühjahr 2022 beraten werden. Normalerweise wäre dies erst für den Herbst geplant gewesen.
Eine Kurznachricht mit Folgen
Ende August war eine private Whatsapp-Nachricht des obersten Zeitungsbranchen-Lobbyisten publik geworden. In der Nachricht an den Schriftsteller Benjamin von Stuckrad-Barre schrieb Döpfner über den damaligen und inzwischen geschassten BILD-Chefredakteur Julian Reichelt: Er sei "der letzte und einzige Journalist in Deutschland, der noch mutig gegen den neuen DDR-Obrigkeitsstaat aufbegehrt. Fast alle anderen sind zu Propaganda-Assistenten geworden." In einem Bericht über Machtmissbrauch beim Springer-Verlag (Vorstandsvorsitzender: Döpfner), hatte die "New York Times" (NYT) aus der privaten Nachricht zitiert. Der NYT-Medienkolumnist Ben Smith veröffentlichte sie ebenfalls auf Twitter.
"Unangemessene und verfehlte Herabsetzung"
Der oberste Lobbyist der Zeitungsbranche wettert gegen andere Journalistinnen und Journalisten - quasi die Vertreter und Vertreterinnen der eigenen Branche? Die Empörung beim Verlegerverband hält sich zunächst offenbar in Grenzen. Erst auf Nachfrage mehrer Medien teilt BDZV-Sprecher Alexander von Schmettow mit, Döpfner habe "seine Aussagen im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Vorstandsvorsitzender der Axel Springer SE getroffen." Und: "Der BDZV kommentiert grundsätzlich keine einzelnen Vorgänge unternehmerischer Tätigkeiten von Mitgliedsverlagen." Zwei Präsidiumsmitglieder taten es dann aber doch: Döpfners Aussagen seien "eine unangemessene und verfehlte Herabsetzung" ließ Thomas Düffert, Vize-Vorstandsvorsitzender im BDZV, über die Nachrichtenagentur dpa verlautbaren. Und Christoph Rüth schrieb auf Nachfrage des Medienportals "Übermedien": "So ein Gedanke und eine derartige Tonlage sind dem Amt eines BDZV-Präsidenten nicht angemessen."
Döpfner selbst hatte auf die Kritik mit einem Rundschreiben an die Zeitungsverlage reagiert: "Wenn der Ruf der Branche, des BDZV und insbesondere des Präsidentenamts in dieser Woche hierdurch Schaden genommen haben, bedaure ich dies persönlich zutiefst." Die Aufregung könne er "nachvollziehen", die Äußerungen seien in einer privaten Nachricht gefallen. Doch der Verweis auf die Privatsphäre, ausgerechnet vom Springer-Chef, beschreiben einige zumindest als scheinheilig, gehöre das "Leaken" privater Details doch bei Springers Boulevard-Medium, der BILD, zum Tagesgeschäft.
Konsequenzen für Springers US-Geschäft?
Aber hat das Amt des BDZV-Vorstandsvorsitzenden in Deutschland auch Bedeutung für die Geschäfte des Vorstandsvorsitzenden des inzwischen international agierenden Springer-Konzerns?
Erst 2019 war die große US-Beteiligungsgesellschaft KKR & Co. Inc. bei Springer mit eingestiegen. Seither drängt der deutsche Medienkonzern immer stärker in den US-Markt: Im August 2021 hat Springer das US-amerikanische Nachrichtenunternehmen "Politico" sowie das Technologie-Portal "Protocol" gekauft. Knapp zwei Monate später erschien die große "Springer"-Story in der "New York Times" über "Sex, Lügen und eine geheime Zahlung". Der damalige BILD-Chefredakteur Julian Reichelt verlor daraufhin seinen Posten, Springer-Vorstand Mathias Döpfner veröffentlichte ein reumütiges Video-Statement mit Verweis auf Diversität, Gleichberechtigung und vieles, was in der US-Unternehmenskultur gemeinhin hochgehalten wird. Nur wenige Wochen später legte Döpfner nochmal nach, verkündete eine neue Konzernregel: Springer-Mitarbeiter sollen sexuelle Beziehungen zwischen Kollegen und Vorgesetzten künftig offenlegen. Einige sehen darin vor allem Zugeständnisse an den Großinvestor KKR. KKR selbst hat sich dazu bislang nicht äußern wollen. Aus Kreisen des BDZV hört man: Für KKR, so die Abwägung, sei das Prestige, das der Posten des BDZV-Vorsitzenden mit sich bringe, nicht unwichtig. Es gehe um die Wahrnehmung Döpfners - und damit auch um das Bild des Konzerns Axel Springer. Die Rückendeckung von Seiten des BDZV dürfte daher auch für dessen Image in den USA zuträglich sein. Was das für den Verband selbst und die einzelnen Mitglieder bedeutet, steht auf einem anderen Blatt. Denn nicht alle Verbandsmitglieder dürften von der Entscheidung des Präsidiums begeistert sein.