Stand: 06.02.2019 19:00 Uhr

Gefährdet neue EU-Richtlinie Whistleblower?

von Caroline Schmidt
Antoine Deltour hat die Steuervermeidungstricks von Unternehmen und Unternehmern aufgedeckt, sie wurden unter dem Namen Luxleaks bekannt. ZAPP hat ihn zum Schutz von Whistleblowern befragt. © ZAPP
Antoine Deltour hat die Steuervermeidungstricks von Unternehmen und Unternehmern aufgedeckt, sie wurden unter dem Namen Luxleaks bekannt.

Er hat die ganze Debatte um den Whistleblowerschutz ausgelöst: Antoine Deltour. Heute lebt er in Nancy und arbeitet in der Stadtverwaltung. Vor fünf Jahren hat sein Fall ganz Europa erschüttert. Damals war der Ökonom in Luxemburg für die Beratungsfirma Price Waterhouse Coopers tätig und kam dort "skandalösen Steuerpraktiken" zwischen Behörden und Großkonzernen in Milliardenhöhe auf die Schliche: Viele multinationale Konzerne betrieben in Luxemburg Briefkastenfirmen und konnten so eine günstige Vereinbarung mit den Steuerbehörden eingehen. Deltour kopierte empört die entsprechenden Unterlagen (45.000 Seiten) auf einen Stick, den er Journalisten übergab. Der Fall erschütterte 2014 unter dem Namen #Luxleaks Europa.

 

Whistleblower werden oft wie Kriminelle verfolgt

Luxleaks, Panama Papers, Paradise Papers, FootballLeaks - hinter all diesen Enthüllungen stecken Whistleblower, die zum Teil unter beträchtlichem Druck schmutzige Steuerdeals von Großkonzernen, illegale Briefkastenfirmen in Übersee und Steuerhinterziehung im großen Stil aufgedeckt haben. Von der Öffentlichkeit werden sie dafür als Helden gefeiert, während sie von der Justiz in ihren Heimatländern wie Kriminelle verfolgt werden. Die Europäische Kommission und das Europäische Parlament haben deshalb einen Richtlinienvorschlag auf den Weg gebracht, mit dem sie Whistleblower in Zukunft vor Strafverfolgung bewahren wollen.

Neue Richtline soll Informanten schützen - könnte aber alles verschlimmern

"Wenn eine Information im öffentlichen Interesse ist", so der grüne Europaparlamentarier Sven Giegold, "dann sollte der Whistleblower geschützt sein."

Ein wichtiges Gesetzesprojekt, das aber viele Gegner hat. Denn die meisten Mitgliedsstaaten stemmen sich gegen einen solchen weitreichenden Schutz. Sie wollen in der Richtlinie festschreiben, dass sich Whistleblower erst einmal an ihr eigenes Unternehmen wenden sollen, dann an die Behörden - und erst wenn beide nicht tätig werden, dürfen sie mit der Presse reden. Die Konservativen im Europaparlament unterstützen diesen Gegenvorschlag, denn das Missstrauen gegen Whistleblower ist hier groß.

Konservative sehen Whistleblower als Nestbeschmutzer

"Die Gefahr besteht durchaus, dass der ein oder andere, dem vielleicht gekündigt wird, meint, er müsse seinen Arbeitgeber im schlechten Licht dastehen lassen", sagt Axel Voss von der EVP-Fraktion. Voss nimmt Whistleblower vor allem als Nestbeschmutzer wahr und die will man hier nicht unterstützen. Ebenso wenig Menschen, die hohe moralische Ansprüche gegenüber ihrem Unternehmen an den Tag legen. "Das Problem ist nur, dass wir oftmals die Moral über das bestehende Recht setzen", hat Voss beobachtet. "Gerade bei Steuerfällen, wo man durchaus sagen kann, das ist rechtlich zulässig, aber moralisch nicht unbedingt vertretbar. Da würde ich eben sagen: Wir können nicht die Moral über das Recht stellen."

Whistleblower Deltour: "Wir haben nur die Wahrheit gesagt"

Deshalb soll die Presse aus Sicht der Konservativen und der Mitgliedsstaaten am besten auch nichts davon erfahren. Sie wollen Whistleblowern nur in ganz wenigen Ausnahmen erlauben, sich mit "rechtmäßig erlangten Informationen" direkt an die Öffentlichkeit zu wenden. Etwa dann, wenn sie intern mit "Rache" rechnen müssen. Das Problem: Rechtmäßig kommen Whistleblower nur selten an Informationen. Das ist nicht einmal Antoine Deltour gelungen, dem Lux-Leaks-Enthüller.

Und so gilt diese Richtlinie, die ursprünglich Whistleblowern helfen soll, nicht einmal für den Whistleblower, der am Ursprung der Schutzdebatte stand: Deltour. Er hat das Gefühl, dass viele in der EU die Whistleblower immer noch wie Kriminelle behandeln. "Wir haben doch keine Bomben geworfen. Wir sind keine Terroristen, wir haben nur die Wahrheit gesagt. Wie können wir heute in Europa akzeptieren, dass Bürger mit Gefängnis bedroht werden, nur weil sie die Wahrheit gesagt haben?", fragt Deltour im Interview mit ZAPP.

Konservative und Mitgliedsstaaten haben jetzt vier Wochen Zeit, ihre Position in den Verhandlungen durchzusetzen. Es steht nicht gut um den Schutz von Whistleblowern in Europa.

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ZAPP | 06.02.2019 | 23:20 Uhr

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