#FootballLeaks: Whistleblower im Rampenlicht
Der 1. Februar 2019 war für Rafael Buschmann auch ein Tag der Erleichterung. Endlich konnte ihn jeder sehen: Rui Pinto. Drei Jahre lang hatte Pinto den Journalisten Buschmann mit den "Football Leaks" versorgt und drei Jahre lang hat der über seine Quelle geschwiegen, die damals bloß unter "John" firmierte. Nur ein paar Kollegen im "Spiegel" habe er eingeweiht: die Chefredaktion, Justiziare, Dokumentare. Nicht mal seiner Frau habe er über das jahrelange Versteckspiel aufgeklärt, erzählt Buschmann. Nun aber hat Pinto ein erstes Interview gegeben: "Ich bin Rui Pinto, der Whistleblower von Football Leaks." Pinto alias "John" geht in die Offensive.
Hacker? Erpresser? Idealist? Whistleblower wird durchleuchtet
"Zumindest dieser Druck ist weg, nicht über die Quelle reden zu können", sagt Buschmann gegenüber ZAPP. Gleichwohl stellen sich nun umso mehr Fragen, denn: Jetzt, wo klar ist, dass Pinto "John" ist, ist auch klar, dass gegen den Informanten von "Football Leaks" Ermittlungen laufen. Pinto soll, so die portugiesische Polizei, mindestens an einen Teil der Daten illegal gelangt sein. Außerdem soll er damit eine Sportrechteagentur erpresst haben. Dieser "John" könnte also ein krimineller Hacker sein. Wäre er in diesem Fall noch eine gute Quelle für Journalisten?
Diese Frage sei im "Spiegel" intensiv diskutiert worden, berichtet Buschmann. Man müsse aber zwischen einem Informanten und einer Information trennen: "Das heißt, die Motivation des Informanten - warum er bestimmte Dinge tut, seine Sozialisation, seine Biographie - ist eigentlich nicht entscheidend für die Dokumente, die am Ende vorliegen und an denen wir recherchieren können."
Herkunft des brisanten Materials für Journalisten "nicht entscheidend"
Sein Kollege Michael Wulzinger wird sogar noch deutlicher. "Ein Whistleblower kann möglicherweise auch ein Hacker sein", sagt der Journalist. Die Hürde sei lediglich, "dass das Material von hohem öffentlichen Interesse sein muss, dass es authentisch sein muss, dass es vor allen Dingen belastbar sein muss".
Der "Spiegel" hatte bei der jüngsten Veröffentlichungswelle das Recherche-Netzwerk EIC eingebunden und so auch den NDR. Buschmann und Wulzinger bestätigen: Obwohl Gerüchte kursierten, dass Pinto "John" sein könnte, schwiegen die "Spiegel"-Rechercheure auch gegenüber ihren Recherchepartnern - sogar als unter anderem die portugiesische Zeitschrift "Sábado" im Herbst 2018 Pinto auf den Titel hob.
Quellenschutz wurde bis zum Schluss hoch gehalten
"Vor allen Dingen die portugiesischen Kollegen waren in der Situation, dass sie zu unserem Netzwerk gehören, aber auf der anderen Seite dann in Portugal der Publikationsdruck enorm hoch war", erinnert sich Wulzinger. "Die Kollegen konnten sich möglicherweise denken, dass es John ist, aber wir haben es einfach nicht offengelegt. Diese Situation war so ein bisschen kippelig, aber sie hat gehalten."
Der NDR hat fürs Erste eine Dokumentation produziert. Die möglichen Hintergründe zu "John" spielten dort keine Rolle. Gleichzeitig hat der NDR die Quelle thematisiert und Buschmanns aufwändige Reisen zu "John". Spätestens mit der Veröffentlichung des Pinto-Titels in "Sábado" sei der NDR an einen "schwierigen Punkt" gelangt, sagt Redakteur Sven Lohmann: "Wir wollten auf der einen Seite transparent mit der Quelle umgehen, hatten aber auf der anderen Seite hier einen Vorwurf, den wir nicht nachvollziehen konnten." Der Bericht in "Sábado" sei dafür zu vage gewesen.
Whistleblower Pinto steht unter Hausarrest
Hätte der NDR den Film aber auch so produziert, wenn der "Spiegel" die Quelle benannt hätte? "Ja", sagt Lohmann, "und zwar aus dem einfachen Grund, weil die Sachverhalte nach meiner persönlichen Auffassung eine hohe öffentliche Relevanz haben." Auch der NDR-Journalist sagt, Journalisten dürften Dokumente sogar dann verwenden, wenn sie "vielleicht auf einem Wege beschafft worden sind, die - ganz allgemein gesprochen - diskutabel" seien, solange das öffentliche Interesse groß sei.
Ob Rui Pinto tatsächlich ein Whistleblower ist, der Schutz genießt, oder ein krimineller Hacker, muss nun ein ungarisches Gericht prüfen - es hat "John" mit einer Fußfessel unter Hausarrest gestellt. Seine Zukunft ist ungewiss. Und die Zukunft der "Football Leaks"? Buschmann und Wulzinger berichten: Nach Pintos Festnahme hätten sie weitere Dokumente direkt per E-Mail erreicht, anonym. Die Unterlagen würden nun geprüft. Womöglich sprudelt die Quelle also weiter - auch ohne "John".