Stand: 26.06.2020 15:21 Uhr

"Katapult" schießt

von Jochen Becker

"Katapult"-Gründer Benjamin Fredrich hat sein Magazin auf dem umkämpften Zeitschriftenmarkt zum Erfolg geführt. Das weckt Begehrlichkeiten: Der Verlag Hoffmann und Campe, der zur Ganske-Verlagsgruppe gehört, will von diesem Erfolg partizipieren und hat dafür dreist kopiert. Das beklagt jedenfalls Benjamin Fredrich und bringt dagegen jetzt seine Leserinnen und Leser in Stellung.

"Katapult"-Redakteur Fredrich zeigt Besuchern in der Redaktion eine Infografik über den Wald - und erklärt das Alleinstellungsmerkmal: "Wir machen alles mit Karten und Grafiken, wir nutzen keine Fotos." © NDR
"Katapult"-Redakteur Fredrich zeigt Besuchern in der Redaktion eine Infografik.

Zwei Bücher einer Reihe: "100 Karten, die deine Sicht auf die Welt verändern" und "Gute Karten, Deutschland wie Sie es noch nie gesehen haben", beide erschienen im Verlag Hoffmann und Campe. Gleiche Größe, gleiches Layout, nur der Name des Verfassers hat sich geändert. Statt "Katapult" schrieben und gestalteten Tin Fischer und Mario Mensch die neue Ausgabe.

"Katapult"-Chefredakteur Benjamin Fredrich ist über diese Fortsetzung really not amused, im Editorial der jüngsten "Katapult" schreibt er sich den Ärger über das Buch von der Seele: "Autoren der renommierten Zeit haben eine Fortsetzung des "Katapult"-Buchs gemacht", klagt Fredrich: "der Stil, das Layout, unsere Art, Karten zu machen, Fragen zu stellen, die Eins-zu-eins-Übernahme unseres Text-Karten-Verhältnisses." Für ihn handelt es sich um eine dreiste Kopie bis hin dazu, dass es einzelne Karten in dem neuen Buch so schon mal in "Katapult" gegeben habe.

VIDEO: "Katapult": Infografiken, die einschlagen (6 Min)

Verhandlungen gescheitert

Zuvor waren Verhandlungen zwischen "Katapult" und Hoffmann und Campe über eine gemeinsame Fortsetzung der Reihe gescheitert, offenbar am Geld. Fredrich verlangte nach eigenen Angaben eine höhere Umsatzbeteiligung an einer Fortsetzung des erfolgreichen Erstlings. Gleichzeitig habe er sich gegen Pläne des Verlags gesträubt, den Verkaufspreis für das neue Buch zu erhöhen. Nachdem "Katapult" sich schließlich entschied, weitere Buchprojekte mit einem anderen Verlag (Suhrkamp) umzusetzen, beauftragte Hoffmann und Campe Tin Fischer und Mario Mensch, die beide frei, u.a. für die "Zeit" arbeiten. Der "Zeit"-Verlag ist nach eigenen Angaben an dem Projekt nicht beteiligt.

Hoffmann und Campe schreibt dazu auf Anfrage von ZAPP: "Es stimmt nicht, dass Hoffmann und Campe das Buch kopiert hat." Man habe "gemeinsam mit Katapult ein besonderes Buchkonzept entwickelt, das als Reihe angedacht war und woraus der Band "100 Karten, die deine Sicht auf die Welt verändern" hervorgegangen ist. Leider ist Katapult nach dem Einsetzen dieses gemeinsam erreichten Erfolgs zu einem größeren Verlag gegangen. Wir bedauern das, zumal wir gerne weitere Bände mit Katapult gemacht hätten."

"Das traurigste Plagiat, das ich je gesehen habe"

"Katapult"-Chef Benjamin Fredrich sieht die Schuld für die Trennung hingegen allein im Geschäftsgebaren von Hoffmann und Campe. Er wirft dem Verlag die "geplante und systematische Ausbeutung eines Konkurrenten" vor, das Buch sei "das traurigste Plagiat, das ich je gesehen habe".

Der solcherart angegriffene Autor Tin Fischer weist den Vorwurf zurück: "Wir kopieren keine Ideen. Bis auf wenige Ausnahmen, die wir in den Fußnoten auch so kenntlich machen, sind alle Karten-Einfälle und Recherchen von uns. Von Katapult sind keine." Fischers Tenor: Fredrich solle sich mal nicht so anstellen, der Datenjournalismus habe stets davon gelebt, "dass man auf Vorgänger aufgebaut und sie erweitert hat", anders sei es auch nicht bei "Katapult" gewesen. Fredrich klinge für ihn wie "ein enttäuscht tobender Ex".

Das Wut-Editorial des "tobenden Ex" Benjamin Fredrich wird in den Sozialen Netzwerken breit geteilt, mit dem Resultat, dass "Katapult" binnen 24 Stunden 2.289 neue Abonnenten und 1.061 Buch-Vorbestellungen vermeldet.

Dem alteingesessenen Verlagshaus Hoffmann und Campe schlägt nun die geballte Wut der "Katapult"-Fangemeinde entgegen, der Image-Schaden ist groß. Fredrich hingegen hat mit der öffentlichen Anklage einen ordentlichen Vermarktungserfolg erzielt.

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ZAPP | 02.10.2019 | 23:20 Uhr

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