Wunderkind oder Skandal-Investor? Die Gesichter des Lars Windhorst

Stand: 10.09.2024 20:28 Uhr

Als Jugendlicher wurde er Unternehmer, galt als Wunderkind der deutschen Wirtschaft. Heute gehören ihm zwei Werften im Norden in schwieriger Lage. Seit Monaten verspricht er Besserung, aber es tut sich kaum etwas. Wenig bekannt ist, dass Windhorst auf den Finanzmärkten das ganz große Rad dreht - und dabei auch Menschen unter die Räder kommen. 

von Nils Naber

Der Privatjet, den Lars Windhorst häufig nutzt, fliegt Anfang Juni aus Nizza ins dänische Sønderborg, nicht weit von Flensburg entfernt. Wenig später betritt der Investor das Gelände der Flensburger Schiffbau Gesellschaft (FSG). Er glaube, "dass wir schon sehr kurzfristig in einer so viel besseren Situation sind, finanziell", sagt Lars Windhorst vor laufenden Kameras. Aufträge für die Werften in Flensburg und Rendsburg würden kommen.

Kurz zuvor hatte ihm der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) noch vorgeworfen, sich nicht an Versprechen zu halten, um die Werftengruppe FSG-Nobiskrug wieder nach vorne zu bringen. Das kümmerte Windhorst an diesem Tag offenbar wenig. Kurz nach seinem Auftritt hebt das Flugzeug Richtung Berlin ab und ist weg. Nun, ein Vierteljahr später, hat sich die Lage bei den Werften und ihren Tochterunternehmen noch weiter zugespitzt.

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Lars Windhorst © picture alliance/dpa Foto: Daniel Bockwoldt

Lars Windhorst: Kein Geld, keine Arbeit, viele Versprechen

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Vermieter dreht Windhorst-Firma das Wasser ab

Christian Krämer © Screenshot
Seine Kollegen und er warten seit Monaten auf ihren Lohn, sagt Betriebsrat Krämer.

Besonders deutlich wird das bei der Würzburger Interieur Manufaktur (Wima), die seit 2023 mehrheitlich zur Werftengruppe FSG-Nobiskrug Holding gehört. Betriebsrat Christian Krämer und seine Kollegen stellen eigentlich hochwertige Innenausstattungen für Yachten her. Arbeit fehlt hier allerdings seit Monaten. Seit Juni erhalten die rund 30 Mitarbeiter nun auch kein Geld mehr, "da kam zuletzt der Lohn für Mai," erzählt Krämer im August. Die Sorgen werden immer größer. Lieferanten warteten seit Monaten auf Geld, erzählen die Beschäftigten.

Weil seit Februar keine Miete mehr für die Geschäftsräume der Wima gezahlt wurde, hat der Vermieter im Juli das Wasser abgedreht. "Der will Druck aufbauen", erzählt der Betriebsrat. Ohne Wasser funktioniert kein Waschbecken und keine Toilette, arbeiten wird unmöglich. Die Mitarbeiter fühlen sich von der Geschäftsführung um Windhorst vergessen. "Warum kauft der Mann eine Firma und kann dann die Leute nicht bezahlen?", fragt der langjährige Mitarbeiter Hans Hügle frustriert. Alle anderen um ihn rum stimmen zu.

Erst im September sind nach monatelanger Verspätung die Löhne für Juni nachgezahlt worden. Für Juli und August warten die Mitarbeiter noch immer auf Geld, sagt Betriebsrat Krämer. Auch bei der ausstehenden Miete scheint sich bislang noch nichts bewegt zu haben. Die Staatsanwaltschaft Kiel ermittelt aktuell wegen mehrerer Strafanzeigen gegen FSG-Nobiskrug, es geht unter anderem um Insolvenzverschleppung. Da die Wima zu dieser Gruppe gehört, müssten eigentlich auch zur Lage bei diesem Unternehmen Informationen eingeholt werden. Doch bislang liegen bei der Staatsanwaltschaft noch keine Ergebnisse vor.

Windhorsts Holding in Schwierigkeiten?

Carl-Christian Freidank © Screenshot
Wirtschaftswissenschaftler Freidank hält Windhorsts Tennor Holding für angeschlagen.

Gelingt Lars Windhorst auch hier wieder das Kunststück, das ihm schon öfter gelungen ist? Immer wieder den Kopf aus der Schlinge zu ziehen, weiterzumachen, als ob nichts gewesen wäre? Aktuell laufen gleich mehrere Verfahren gegen ihn und seine Unternehmen in Großbritannien und den Niederlanden. Alle Kläger wollen Geld von Windhorst - es geht insgesamt um Hunderte Millionen Euro.

Doch Geld ist offenbar Mangelware bei der Tennor Holding, der Konzernmutter für viele von Windhorsts Unternehmen. Auf Basis des vorläufigen Jahresabschlusses der Tennor Holding für das Jahr 2020 trifft Wirtschaftswissenschaftler Carl-Christian Freidank von der Universität Hamburg ein eindeutiges Urteil: "Sämtliche Kennzahlen zeigen nach unten", sagt er. "Dem Konzern Tennor Holding geht es schlecht."

Niederlande sperren Wirtschaftsprüfer

Die Zahlen für 2020 sind die aktuellsten, aber auch sie sind nur vorläufig, genauso wie die Zahlen für 2019. Beide Jahresabschlüsse wurden nach unseren Recherchen auch nicht von einem Wirtschaftsprüfer abgesegnet, obwohl das in den Niederlanden - die Tennor Holding sitzt am Amsterdamer Flughafen - für Unternehmen dieser Größe so vorgesehen ist. Das hängt möglicherweise damit zusammen, dass die niederländische Finanzaufsicht AFM im vergangenen Jahr einen Wirtschaftsprüfer für zwei Jahre gesperrt hat. Hintergrund waren Fehler bei der Prüfung des Jahresabschlusses der Tennor Holding für das Jahr 2018.

Welcher Wirtschaftsprüfer für die nachfolgenden Jahre die Tennor-Holding prüft, teilt Windhorsts Pressesprecher nicht mit. Es werden generell keinerlei Fragen zur wirtschaftlichen Lage des Unternehmens oder Windhorst beantwortet. Ein Sprecher verweist auf "interne Geschäftsvorgänge", zu denen man nichts öffentlich sagen könne. Ohne das Siegel eines Wirtschaftsprüfers sei man allerdings "nichts mehr wert am Kapitalmarkt. Dann ist man Makulatur," meint Wirtschaftswissenschaftler Freidank.

Windhorsts Holding geht es schlecht

Fans von Hertha BSC Berlin zeigen ein Banner mit einem durchgestrichenen Konterfei von Lars Windhorst © picture alliance / Fotostand Foto: Fotostand / Taeger
Fans von Hertha zeigten mit einem Banner, was sie von Windhorsts damaligen Einstieg in ihren Verein halten.

Lars Windhorsts Firmenreich ist riesig und kaum zu durchschauen. Es umfasst mehr als 150 Unternehmen in Dutzenden Ländern, von China bis zu den britischen Jungferninseln. Er kontrolliert Firmen, die im Filmgeschäft aktiv sind, andere sollen mit Öl Geld verdienen und wieder andere mit Landwirtschaft in Afrika. Doch nach Recherchen von Panorama 3 scheint es vielen seiner Unternehmen nicht gut zu gehen. Die Frage, womit er überhaupt Geld verdient, beantwortet Windhorst nicht.

Besonders auffällig ist, wie viel Geld Windhorst zuletzt in Deutschland verloren hat. Prominentestes Beispiel ist Hertha BSC Berlin. In dem Fußballverein sind mutmaßlich mehrere hundert Millionen Euro sozusagen verschwunden. Die Werften in Schleswig-Holstein haben Windhorst nach eigener Aussage mehr als 200 Millionen Euro gekostet, in den Beton-Komplex Ihme-Zentrum in Hannover hat er nach eigenen Angaben 130 Millionen Euro investiert, inklusive Kaufpreis.

Nach unbestätigten Informationen sollen dabei im Jahr 2019 nur für den Kauf der Projekt IZ Hannover GmbH, der wiederum ein Großteil des Ihme-Zentrums gehört, 105 Millionen Euro bezahlt worden sein. Kurios dabei: Nur vier Jahre vor Windhorsts Einstieg hatte der Vorbesitzer den gleichen Anteil an dem Betonriesen für nur 16,5 Millionen ersteigert. Weshalb zahlten Windhorsts Unternehmen so viel Geld dafür? Auch dazu gibt es von Tennor keine Antwort. Seit vergangenem Jahr ist die Projekt IZ Hannover GmbH pleite. In der Folge müssen nun rund 500 Kleineigentümer, die einzelne Wohnungen in dem Komplex besitzen, pro Monat eine Umlage zahlen und so für den Unterhalt des Ihme-Zentrums aufkommen.

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Windhorst und ein riesiger Finanzskandal in Frankreich

Schulden zu machen, scheint dabei ein unternehmerisches Prinzip von Windhorst zu sein. Über viele Jahre hat er sich über Anleihen Geld organisiert. Dabei liehen Investoren seinen Unternehmen Geld, um es nach einer bestimmten Laufzeit verzinst zurückzuerhalten - so sollte es jedenfalls laufen. Laut einem niederländischen Urteil haben Windhorsts Unternehmen im Zeitraum 2014 bis 2018 Anleihen und andere Schuldverschreibungen im Umfang von fünf Milliarden Euro ausgegeben.

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Ein Großteil dieser Anleihen dürften dabei vom britischen Vermögensverwalter H2O AM gezeichnet worden sein. Das war der "großen Wal", der Windhorst und seine Unternehmen über Jahre zuverlässig mit Geld versorgte. So nennt Investigativ-Journalistin Cynthia O’Murchu von der "Financial Times" den Vermögensverwalter H2O. Das Unternehmen hatte mehr als eine Milliarde Euro von nichtsahnenden Anlegern in Windhorsts Firmen investiert. Nun allerdings ist ein Großteil des Geldes der Anleger nicht mehr greifbar - man könnte auch sagen: es ist weg. Die "Financial Times" hatte diesen Fall im Jahr 2019 aufgedeckt, mittlerweile ist daraus einer der größten Finanzskandale Frankreichs geworden.

Was Windhorst mit den Werften in Flensburg und Rendsburg vorhat, ist für viele ein Rätsel. Seit seinem Besuch im Juni hat sich offenbar wenig verbessert. Dienstleister werden wohl weiterhin nicht pünktlich bezahlt. Der von Windhorst eingesetzte Geschäftsführer ist Anfang September noch immer nicht im Handelsregister eingetragen. Bislang allerdings kamen die Löhne noch immer an. In Würzburg, Rendsburg und Flensburg hoffen sie, dass es doch noch gut ausgehen könnte - und Lars Windhorst ein weiteres Kunststück vollbringt.

Dieses Thema im Programm:

Panorama 3 | 10.09.2024 | 21:15 Uhr

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